Prolog
Bitte unbedingt auch die grundsätzlichen Gedanken zu Caminos lesen!
Der Plan: Wir machen dort weiter, wo damals 2016 unser erster Norte geendet hatte, also hinter Comillas. Unser Flug geht von FFM gegen 11.30 Uhr los und wir landen gute 2 St später. Vom Flughafen Bilbao geht es in die Stadt, leider ist der ALSA-Bus nach San Vicente de la Barquera schon ausgebucht und wir müssen warten bis 18.00 Uhr. Die Wartezeit verbringen wir rund um den Busbahnhof mit schwachsinnigen Horst Schlämmer Imitationen, die selbst den hartgesottetsten Spanier in die Knie zwingt.
Als wir schließlich ankommen, gibt es eine kleine Überraschung: Conny hat ein Zimmer gebucht, für das wir komplett durch den Ort müssen, um dann eine extrem knackige Steigung zu überwinden. Etwas außerhalb (!) finden wir unsere Unterkunft, die aber die Mühe wert war: Tolles Zimmer mit kleiner Terasse und in der Ferne kann man das Meer sehen…
14.06.2019
So schön das idyllische Hotel auch liegen mag, leider geht es jetzt den Berg wieder hinunter und quer durch die Stadt zurück. Schnell noch den ersten Stempel geholt und dann am Ortsausgang rechts die nächste Steigung auch schon wieder hoch. Es geht durch kleine Höfe und Weiler, die Aussicht auf die Picos sind atemberaubend! Wir erreichen gegen 13.00 Uhr unser erstes Ziel auf dem Norte: Unquera. Wir mieten uns ins Canal ein, ein ordentliches Hotel, DZ 45.-€ mit Blick aus dem rückwärtigen Fenster auf brennende Reifen. Erstmal wieder die alte Routine finden, also duschen, dann einkaufen.
Erledigt, es ist noch früh am Tag, wir nehmen es sportlich und gehen um die Ecke in eine kleine Bar, wo wir die Tintovorräte der Wirtin dezimieren. Jetzt ist erstmal Ruhen angesagt, bevor es einen schönen Hamburger zum Abendessen gibt. Der Verdauung zuliebe noch ein kleiner Spaziergang, dann kehrt Nachtruhe ein, morgen liegen wieder einige Kilometer vor uns.
15.06.2019
Es ist kurz nach 8.00 Uhr, als zwei ausgeschlafene Wandermaschinen die Sohlen auf den Asphalt setzen, um wie gehabt gleich mal etwas Gummi an einer ordentlichen Steigung zu lassen. Oben, auf freier Fläche findet sich eine winzige „Kapelle“, vor der ein alter Mann wacht. Kerze anzünden und 1.- € Donativo. Der gute Kerl krallt sich Conny und will sie gar nicht wieder loslassen vor lauter Freude 🤭😂🙈.
Unterwegs finden wir eine herrliche Bucht, wo wir uns ins Meer stürzen. Smaragdfarbenes Wasser, kalt wie üblich, aber herrlich! Leider halt auch ohne Möglichkeit, das Salzwasser abzuspülen, was wir später dann merken, als es durch die Reibung an den Oberschenkeln schön anfängt zu brennen.
Weiter geht es, immer schön auf und ab, bis wir nach gut 23 km einen kleinen Ort erreichen, der außer einer Kneipe und einem Hotel absolut nichts zu bieten hat. Doch der Reihe nach… wir sind völlig erschöpft, an ein Weiterlaufen bis zur nächsten Ansiedlung ist nicht zu denken, zumal uns heute auch schön die Hitze zugesetzt hat. Also beratschlagen. Wir trinken in der Kneipe was und beschließen, das Hotel zu nehmen und in der Spelunke was zu essen. Brav melden wir uns für abends an… Was dann folgt ist einfach grandios: Wir bekommen ein „Käsebrett“ mit dem Durchmesser eines Bierdeckels für über 10.- €, 9 Dinger, die wohl Minikroketten darstellen sollen, das Stück im Angebot für 1.- € und so geht es dann auch weiter. Selbst 2 Scheiben Baquette wurden noch zusätzlich in Rechung gestellt, dafür wurde aber ganz kulant nur der Hauswein berechnet für 10.- €. Selten im Leben dermaßen übel über den Tisch gezogen worden. Aber immerhin was gelernt: Nimm NIE!!! einen Ort als Endpunkt der Tagesetappe, in dem sich nicht mindestens ein Supermarkt befindet oder > 2 Kneipen.
Das Alleinstellungsmerkmal hat man sich hier richtig gut versilbern lassen… Dafür ist das Hotel zwar alles andere als günstig, aber sauber mit schönem, großem Zimmer, Frühstück inklusive.
16.06.2019
Nach dem Schock des gestrigen Abends geht es erstmal ausgiebig Frühstücken, bevor wir den Ort Richtung Llanes verlassen. Das wird eine relativ kurze Etappe und so sind wir auch zu früh da, unser Zimmer direkt am Hafen (35.- €) ist noch nicht fertig. Na gut, nehmen wir den Hafen mal in Augenschein, große Felsblöcke, die Memory Stones und viel Kunst. Etwas weiter Richtung Ortsausgang gibt es einen kleinen, halbkreisförmigen Strand umrahmt von Felsen und mit glasklarem Wasser. Kalt aber sehr erfrischend!
Nachdem wir unser Zimmer eingewohnt haben, geht es abends hoch auf die Steilküste, die als eine Art Promenade ausgeführt ist und sich etliche hundert Meter lang zieht. Leider muss ich nochmal den Weg zurück, da mich leibliche Verrichtungen dazu zwingen. Nicht gezwungen wurde ich allerdings auf dem Weg wieder hoch, für 17.- € eine Flasche Angosturabitter zu kaufen. Der wird quasi unangetastet im Zimmer morgen zurückbleiben, absolut widerlich!
17.06.2019
Von Llanes geht es weiter nach Nueva. Unterwegs kommen wir an einer schönen Herberge vorbei, aber der Wirt will echt 60.- € dafür, dass wir gerne in einem 3-Bett Zimmer nur zu zweit nächtigen würden, obwohl das ganze Haus nicht einen Gast beherbergt. Na dann nicht und weiter geht´s bis wir in Nueva ankommen. Schöner Ort, wir suchen ein Hotel. Ja, ja, man habe Zimmer und bringt uns unters Dach, kann man nicht mal stehen… Conny ist sauer, zu Recht. Das Haus ist ebenfalls ohne Gäste, aber für Pilger geben die Hotels oft einfach nur die miesesten Zimmer raus, da man wohl auf die Leidensbereitschaft hofft. Wir intervenieren, dem jungen Mann ist es sichtlich sehr peinlich.
Also raus und 200m weiter in ein absolut stylisches Haus. Könnte der Ableger des Herrenhauses in Santillana del Mar sein… Tolles Zimmer mit viel Ambiente und auch leicht unheimlich..
18.06.2019
Heute liegt eine der härtesten Etappen überhaupt vor uns, nur ahnen wir noch nichts davon. Richtung Ribadesella führt uns der Weg durch unberührte Natur, Steilküste, Meer, wilde Ziegen, eine Kreuzotter (?) auf dem Weg, den wir leider irgendwann wohl verlieren. Die weiße Massai packt mittendrin mal den kompletten Rucksack aus, um Leggins anzuziehen, da wir uns jetzt durch hüfthohes und außerdem stacheliges Gestrüpp kämpfen müssen, immer auf der Hut vor Kimba, dem Herrscher der Savanne! 😂😂😂
Wir müssen jetzt über eine üble Passage, ca 5m breit, gespickt mit Felsen, links und rechts Abgrund und in über 30m Tiefe das tosende Meer… Wenn wir heute die Filme gucken, zieht es uns immer noch die Magengrube zusammen.
Im Ort haben wir ein tolles Zimmer, das Meer ist 200m weg und wir gehen nach dem Einkaufen auch schwimmen, trotz etwas frostiger Wassertemperaturen.
19.06.2019
Am nächsten Morgen geht es auf in Richtung La Isla. Wir kommen auch an einem sehr hübschen Fischerdörfchen vorbei, das bezaubernde Wandmalereien hat. Kurz vor La Isla stürzt Conny mit voller Wucht mit der Vorderseite auf den Camino und holt sich eine ordentliche Prellung am linken Ellenbogen und Aufschürfungen an der rechten Hand. Die Kamera wird auch in Mitleidenschaft gezogen. Absolut übel in Erinnerung bleibt die Nichthilfeleistung spanischer Bauarbeiter, die den Vorfall genau zur Kenntnis nehmen. Ohne Worte! Dafür kehren wir in ein Hotel ein, wo es einen sehr hilfsbereiten Concierge gibt, der Conny Verbandmaterial und Wunddesinfektion gibt. Zur Sicherheit fahren wir aber noch ins Krankenhaus einen Ort weiter und lassen die Schäden begutachten. Alles im Lot, es gibt Salbe, Schmerzmittel und eine Art Antibiotika, damit sich nichts entzündet. Wobei … in der Nacht eitert dann doch die Wunde an der Hand, aber auch das bekommt man mit Wasserstoffperoxid in den Griff. Wir beschließen zwei Tage zu bleiben und ein bisschen Ruhe in die Aufregung zu bringen. Wie sich nach einigen Wochen herausstellen wird, muss der Schleimbeutel doch noch punktiert werden, aber das ist eine andere Geschichte…
20.06.2019
Wir lassen es ruhig angehen, essen lecker und heldenhaft gehe ich ins Wasser. Beobachtet werde ich dabei von einem Ausflugstrupp Japaner, die offensichtlich wenig Verständnis für ein kleines Bad bei diesen Temperaturen haben.
Auf unserem kleinen Balkon machen wir es uns dann gemütlich, bevor die Nacht eingeläutet wird.
21.06.2019
(C) Wir verlassen die Stadt und laufen weiter nach Villaviciosa. Die Etappe ist sehr mühsam und außerdem im Landesinneren und heute drückend warm. Als wir ankommen, ist das von mir anvisierte Hostel leider schon belegt. Wir checken dann in einem Hotel unterm Dach ein für 50 Euro die Nacht. Völlig überteuert und außerdem ein Fenster nur zum Innenhof. Die Betten durchgelegen, alt und viel zu muffig. Aber was soll’s, wir sind es mittlerweile gewohnt, auf dem Weg über den Tisch gezogen zu werden. Hat uns nicht gefallen, aber wenn man total erschöpft ankommt, ist man dann einfach nur noch froh, wenn man auf irgendeiner Pritsche die Glieder lang legen kann.
22.06.2019
Da es heute übel den Berg zu überqueren hat, nehmen wir den Bus nach Gijon an. Das Zimmer, das wir anmieten, ist einfach krass: man hat ein Doppelbett, in dem vermutlich Stunden vorher ein Kettenraucher verschieden ist, in ein Zimmer gestellt, das mit einem Bett schon überfüllt gewesen wäre. Da reißt es auch die nette Wirtin nicht mehr raus. Dazu ist es an einer der Hauptverkehrsadern, so weiß man wenigstens, dass man in einer größeren Stadt ist. Vielleicht wird irgendwann dieser Abschnitt bei einer Wiederholung mit schöneren Erinnerungen überschrieben … es wäre wünschenswert.
23. – 28.06.2019
Wir entschließen uns nun, mit dem Bus nach Laredo zu fahren und dort die restlichen Tage bis zum Abflug in Bilbao zu verbringen. So vergeht fast eine Woche mit Schwimmen, abends in Laredo etwas bummeln und in die ortsansässige Hamburgerbude zu gehen. Fazit dieser Zeit: Wir sind nicht gemacht für so einen 08/15 Urlaub an einem Platz. Definitiv nicht.. So schön der Strand von Laredo auch 6 Kilometer lang ist, wir sind überhaupt nicht dafür gemacht, länger als zwei Tage an einem Ort zu bleiben. Einziger Ort, den wir uns da vorstellen können ist Lacaneau… Surferküste, einfach nie langweilig.
29./30.06.2019
Hier tippt der Schlauberger: Ich mache den Vorschlag, da der Flug sehr früh losgeht, wir könnten doch einfach in der Abflughalle schlafen… Gute Idee! Wir machen es uns also bequem, Schlafsäcke werden ausgerollt im warmen Foyer, klasse!
He he he. Bis genau 24.00 Uhr, dann kommt ein sehr netter Mann des Sicherheitsdienstes: Bis 5.00 Uhr wird jetzt geschlossen. Oh… wir verlassen den warmen Platz des himmlischen Friedens um uns auf der anderen Seite der Scheibe auf zwei Parkbänke zu legen. Sehr kalt und so werden die 5 Stunden zu einer echten Geduldsprobe. Dafür checken wir direkt ein, hat ja auch was.
Und hier tippt jetzt die Geschundene: Die Nacht auf der Bank war gar nicht mal so arschkalt, wie es auf den Bildern den Anschein macht. Viel übler fand ich da doch die Discomusik aus der Ferne und es gab ja nicht mal eine Toilette in der Nähe. Was dann leider nicht geplant war, dass wir zwar einen Rückflug für 7:00 Uhr haben, dieser Flug aber erst um 15:00 Uhr startet, weil der Boardservice die Einstiegsluke beschädigt. Leider reißen es da auch nicht die zwei 8-Euro-Essensgutscheine raus, die jeder von uns als Trostpflaster für die sagenhafte Flugverspätung von der Fluggesellschaft spendiert bekommt. Immerhin werden uns die Rückflugkosten pro Person mit 150 Euro pro Person für die ewig lange Wartezeit erstattet. Ich wäre lieber pünktlich nach Hause gekommen!
Resume
Eine Reise voller toller, schräger und nicht ganz ungefährlicher Erlebnisse! Aber ehrlich… genau DAS macht es ja aus… Wir wollen den Norte nach dem France noch einmal komplett zurücklegen, an einem Stück. Und da ist ja auch noch Norwegen, Schweden, Finnland… die Nordlichter, Lancanau, der Primitivo und… und.. und…