Saint-Jean-Pied-de-Port – Santiago, Feb/Apr 2023

(Bilder zum Vergrößern bitte anklicken)

22.2.23 Mittwoch Anreise 

(C) Um 4:15 Uhr fahren wir los, sind pünktlich am Frankfurter Flughafen und haben noch massig Zeit, bis der erste Flug Richtung Paris startet. Wir fliegen mit der Air France mit einem Gabelflug von Frankfurt nach Paris und von dort weiter nach Biarritz.
Die Zeit vergeht hier sprichwörtlich wie im Flug, denn wir sind immer nur etwas über eine Stunde in der Luft, nur das Starten und Landen hat man leider zweimal…
In Biarritz angekommen nehmen wir am Flughafen den Bus nach Bayonne, ich kenne die Route noch von ihrer Rückreise aus 2013. Erinnerungen werden wach…
Da der Zug erst in zwei Stunden geht, geht es noch auf einen Kaffee/Tee ins Kaffee Paul um die Ecke. 
Der Zug fährt pünktlich und nach einer Stunde Fahrt erreichen wir Saint-Jean-Pied-de-Port. Auch hier ist der Weg zur Rue de Citadelle bekannt und schnell sind wir im Pilgerbüro, um uns dort anzumelden. Leider spricht man dort nur französisch und so bleiben einige Fragen offen, aber der Mann hinter dem Tisch ist sehr freundlich und zuvorkommend. Anschließend gehts in die städtische Municipal für 12,00 Euro pro Nase. Es ist sehr ordentlich aber es müffelt nach Mottenkugeln. Nach dem Duschen und Wäsche machen essen wir alle unsere Reste, damit wir morgen nicht zu viel schleppen müssen.
Um 21:00 Uhr geht für uns das Licht aus. Aufgrund des strengen Geruchs nach Mottenkugeln lassen wir das Fenster auf und sind gespannt, wie die erste Nacht wird. 


23.02.2023 Donnerstag, Saint-Jean-Pied-de-Port nach Valcarlos 

(C) Um kurz nach sechs werde ich wach und kann nicht mehr einschlafen, also stehe ich auf, Morgenwäsche erledigen. Die asiatischen Pilger sind schon alle in der Küche frühstücken und ihre Rucksäcke packen. Zurück in den Schlafsaal um langsam auch mit dem Packen anzufangen. Durch meine Geräuschkulisse wird dann der Bettnachtbar wach und macht prompt die Festbeleuchtung an, der Morgen ist damit für alle eingeläutet.
Es war etwas anders geplant, wir wollten eigentlich kurz vor 8:00 Uhr aufstehen, um das Frühstück noch mitzunehmen. Für die leeren Plätzchenpackung hat schon der „Weltpilger“ (seit Ewigkeiten unterwegs) gesorgt und um kurz nach 8:00 Uhr kommt auch ein hungriges Straßenpärchen hereinspaziert, erst er, dann sie, um Kaffee und Toast abzugreifen. Der Pilger zahlt’s … ohne Worte. Den Weltpilger versorge ich weiter mit Flugzeuggebäck und Japanbirne, er nimmt es dankbar an.
Gehen 9:00 Uhr hält uns nicht mehr, und wir ziehen im strömendem Regen los. Es lässt sich gemütlich an und wir verlaufen uns nur dreimal 😁 . Alles passt, nur die Frisur sitzt nicht mehr. Gegen 12:00 Uhr erreichen wir das Einkaufszentrum vor Arnequi, wo wir eine länger Pause bei Cola und Tee einlegen. Leider ist die Bedienung unfreundlich und ungehobelt, aber dann gibt es eben auch kein Trinkgeld! 
Das letzte Stück sind einfach nur noch Höhenmeter pur. Rüdiger jubelt, es sind nur noch 150 Meter bis zur gebuchten Unterkunft. Offensichtlich Luftlinie, denn es geht erst mal den Berg schön runter, bis man sich dann schön wieder hochschrauben kann. Ich bin völlig am Ende und komme kaum vorwärts, wie soll das in den nächsten Tagen und Wochen noch werden…
Als wir das Appartement endlich erreichen, ist es 13:15 Uhr, die Vermieterin hat auf einem Zettel mitgeteilt, dass der Check-In um 14:00 Uhr ist. Rüdiger bleibt mit den Rucksäcken vor der Tür, ich gehe zurück in den Ort, Essen kaufen, natürlich bergauf. 
Das Appartement ist sehr gemütlich und warm. Uns wird mitgeteilt, dass der zweite Teil der Route nach Roncevalles über den Ibaneta Pass derzeit nicht zu bewältigen sei, da diverse Teile vereist seien und sich gerade das Wetter verändert, 50 Zentimeter Neuschnee sind in den letzten Stunden gefallen und es schneit leider ununterbrochen weiter. So beschließen wir, ein Hotel in Zubiri vorzubuchen für morgen und um 7:00 Uhr mit dem Taxi nach Roncevalles zu fahren. 
Ich bin gespannt, was das morgen kostet und wie wir es schaffen nach Zubiri zu laufen….


24.02.2023 Freitag, Valcarlos nach Zubiri 

(C) Die Nacht in dem Appartement war angenehm. Die acht Amerikaner nebenan haben gefeiert, man konnte sie hören. Da uns die Vermieterin gestern warnte, nicht den zweiten Teil der Route nach Roncesvalles zu laufen, haben wir ein Taxi für 7:00 Uhr bestellt. Als es pünktlich vor der Tür steht, staunen wir nicht schlecht, wie hoch der Schnee liegt und wie hoch verschneit der Ibaneta Pass ist, das hätten wir selbst auf der Landstraße nicht laufen können, viel zu gefährlich. 
Um 7:30 Uhr kommen wir in Roncesvalles an, hier liegt noch viel höher Schnee als in Valcarlos. Auch der Weg als solches ist nicht zu laufen, höchstens vielleicht mit Schneeschuhen, die wir aber nicht haben. Also geht es die Landstraße lang, auf hartem Asphalt. Leider machen die Bars oder Cafés erst ab 01.03. wieder auf, wenn die Pilgersaison beginnt, das macht es nochmal schlimmer, nicht mal eine Pause kann man machen. 
Es geht über zwei Berge und die Serpentinen nehmen kein Ende. Als wir endlich oben auf dem Erro mit 801 Höhenmetern ankommen, sind wir völlig kaputt. Wir beschließen die Landstraße jetzt nicht weiter zu nehmen und begeben uns auf den eigentlichen Jakobsweg. Hier ist es nicht mehr ganz soweit bis Zubiri und wir wollen endlich ankommen. 
Leider ist der Weg voll mit Steingeröll und quer liegenden Schieferplatten, das Tauwasser läuft unentwegt den Berg runter. Ich tue mir unheimlich schwer nach unten zu kommen und die Muskulatur und die Knie jodeln mächtig ab. Als ich unten in Zubiri ankomme, bekomme ich erst mal einen Heulkrampf vor Schmerzen in den Beinen und Füßen. Nach ein paar Tränenbächen bin ich etwas ruhiger und es geht wieder weiter. was will man auch sonst tun? 
Wir suchen die städtische Herberge, als wir dort ankommen, stellen wir fest, dass sie leider geschlossen hat. Also wieder zurück zum Ortseingang am Fluss und in eine private Unterkunft, schön, aber leider auch sehr teuer: 40,00 € ein Zweibettzimmer. Egal, wenn man so fertig ankommt, ist einem alles egal, man möchte nur noch relaxen. Noch kurz was einkaufen, dann gehts auch schon zügig ins Bett. 
Morgen wollen wir nach Pamplona laufen und hoffen, dass es nicht wieder so anstrengend ist. 


25.02.2023 Samstag, Zubiri nach Pamplona 

(C) Die Nacht in der Herberge war bis ca. 23:00 Uhr mit starker Geräuschkulisse untermalt, da unser Zimmer leider direkt neben dem Badezimmer und der Gemeinschaftsküche liegt. Ansonsten sehr warm und vor dem Fenster sitzt ein Vogel, der nicht merkt, dass ich das Fenster öffne. 
Wir schlafen bis 7:00 Uhr und machen dann erst mal ein ausgiebiges Frühstück. Es hat nachts -6 Grad und am Morgen ist alles weiß gefroren. Wie sich unterwegs herausstellen soll, war es absolut vernünftig, mit dem üppigen Frühstück, denn bis kurz vor Pamplona hat keine Bar oder Café geöffnet. Ja gut, selbst schuld, wenn du im Februar pilgerst! Als wir endlich 5 Kilometer vor Pamplona eine geöffnete Bar erreichen, trinken wir uns die Bäuche voll mit Cola und Café con Leche. 
Anschließend läuft es sich doch gleich etwas besser. Wir erreichen den Fluss entlang dann endlich Pamplona, aber vor der Herberge angekommen, ist diese geschlossen. Als wir kurzerhand Klingeln, wird geöffnet und mit erstauntem Gesichtsausdruck kurz angebunden erklärt, es sei bis Ende März nur für Obdachlose geöffnet. Ganz ehrlich, was macht Pilgern dann noch für einen Sinn, wenn man den Outdoorführern, dem Touristbüro und den Hinweisblättchen von den Pilgerbüros keinen Glauben schenken darf? Welche dieser Herbergen, die als ganzjährig geöffnet deklariert werden, dann aber saisonal den Zutritt nicht gewähren, soll man dann anlaufen, nach 33 km +?
Völlig schockiert gehen wir in ein Lokal etwas trinken und versuchen eine Unterkunft zu finden. Natürlich ist die einzige private Herberge jetzt leider bereits ausgebucht und viele Hostels sind ebenso Samstag nachmittags bereits voll. Muss ich mich schuldig fühlen, weil ich zu dieser Zeit auf Pilgerreise bin? Der Wirt des Lokals bietet an, dass wir bei ihm schlafen können, sollten wir nichts finden. Das ist die andere Seite: Es gibt auch nette Menschen. 
Nach viel Gelaufe durch die Stadt findet Rüdiger dann eine kleine Pension, die ein winziges Zimmer für unter Hundert Euro hat. Aber es gibt keine Küche oder z.B. kleine Anrichte, wo man sich evt. einen Tee oder Kaffee machen könnte, sondern lediglich zwei Gemeinschaftsbäder auf dem Flur. Es ist sehr hellhörig und für die schiefe Matratze im Zimmer, zu dem Preis unverschämt. 
Wir wollen noch schnell etwas einkaufen, aber leider sind alle Geschäfte bereits geschlossen. Nur ein asiatischer Krimskrams Laden ist noch auf. Wir kaufen Baguette und Thunfisch in der Dose und ein paar Getränke. Dann wollen wir Essen gehen, doch in jedes Lokal, das wir betreten, werden wir entweder nicht beachtet oder abweisend betrachtet. Obwohl in einem italienischen Lokal fast alle Tische leer sind, ist man bereits ausgebucht… Es ist noch keine 18:00 Uhr, ein Tisch für eine Stunde hätte doch gereicht. Aber alles klar, schon verstanden, Pilger unerwünscht. Da plötzlich taucht ein Burger King auf! Burger King fragt nicht wer kommt! 🤗Das Menü war ganz lecker und nicht mal so teuer. Anschließend kaufen wir uns noch eine Flasche Wein im asiatischen Geschäft und dann gehts in die Pension.
Ein denkwürdiger Tag. Und unsere Meinung tendiert dazu, dass dies unser letzter Camino wird. Ausgepilgert hat es sich. Leider ist es so, dass sich das Gefühl, ein verhasster Pilger zu sein, langsam festigt und das ganz am Anfang der Reise. Pilgerhass egal wo und Abzocke vom Feinsten. Ob diese Gefühle anhalten…?
Die morgige Etappe führt leider (?) wieder einmal über einen verschneiten Pass und es soll stürmisch werden. Sturm auf einem Berg mit Windrädern … dazu die Aussicht, dass in Puente la Reina bereits nur noch teure Hotels zu bekommen sind. Ein weiterer Ritt über die Bundesstraße ersparen wir unseren geschundenen Gliedern. Wir reisen fortan etwas anders!


26.02.2023 Sonntag, Pamplona nach Puente la Reina

(C) In der Nacht entsteht eine Planänderung. Da die Reise bisher sehr viel Geld verschluckt hat, beschließen wir, dass das jetzt geändert werden muss: Wir laufen heute nicht die Landstraße nach Puente la Reina, sondern nehmen den ersten Bus dorthin und checken, ob die Municipal geöffnet ist. 
Gesagt getan, packen wir zusammen und machen uns zur Busstation. Der erste Bus geht um 10:00 Uhr und kostet pro Nase 2,50 Euro. Dort angekommen erfahren wir, dass die Herberge um 14:00 Uhr öffnet. So warten wir in einem schönen Eckcafe in der Bäckerei und kaufen vorher auch noch etwas zu Essen ein. 
Der Ruhetag kommt für die müden Glieder gerade richtig. Am Nachmittag laufen wir durch den Ort und besuchen die schöne Brücke, von der der Ort seinen Namen hat.
Alle anderen Pilger, die zur Zeit unterwegs sind, sind heute in der Municipal versammelt, kein Wunder, sonst  gibt es außer einem Hotel keine andere Alternative. Wir lernen hier zumindest schon einmal bildlich alle späteren Pilger kennen: Diane, die wir schon in Pamplona bei der Zimmersuche kennengelernt haben, sowie Patrick „I have to suffer“, Theo und Ines.
Abends kochen wir lecker in der Herbergsküche, morgen soll es weiter nach Estella gehen…  


27.02.2023 Montag, Puente la Reina nach Estella

(C) Die Nacht war kühl im Schlafraum, da ein Pilger das Fenster geöffnet hatte. Eine andere Pilgerin kotzte sich seit dem späten Abend die Seele aus dem Leib und Rüdiger auch noch über den Rucksack… Am nächsten Tag wird sie die Schüssel (wohl sonst zum Spülen) in der Küche im Spülbecken auswischen. Ohne Worte…
Um sechs konnte ich nicht mehr schlafen und stand auf, alle asiatischen Pilger waren auch schon bereits im Aufenthaltsraum. Also kurze Katzenwäsche und dann Frühstück gemacht. Das Wetter sollte heute nur bedeckt sein, aber stattdessen schneit es und zwar aus Kübeln bis Estella. Einkehrmöglichkeit gab es wenige. Die Erste war zu früh, die Zweite in Villatuerta zu spät. Wenn man stundenlang schon vom Schnee aufgeweicht ist, will man nicht mehr mit nassen Klamotten in ein aufgeheiztes Café, da man sich danach draußen zu Tode friert.
Als wir den Ort verlassen, begegnen wir auf der Brücke zwei Fotografen, die uns bitte für sie „Pilgermodel“ zu machen. Aber gerne doch! Leider haben wir vergessen zu fragen, bei welchem Magazin wir die Titelseite zieren werden… Also: Wenn jemand zwei vermummte Gestalten in irgendeiner Zeitschrift sieht: Bitte melden! 😁
Der Weg ist wie immer sehr beschwerlich, es wird nicht leichter. Zwischendurch Heulkrampf wegen Krämpfen in den Fußsohlen, anschließend gehts dann wieder.
Gegen 13:15 Uhr kommen wir völlig erschöpft in der Municipal in Estella an. Es ist zum Glück ab 13:00 Uhr geöffnet und so gehts gleich ans Bett belegen und eine warme Dusche nehmen. 
In der Küche machen wir uns eine heiße Brühe mit einem Ei zum Auftauen. Es gibt eine Waschmaschine und Trockner und so wird alles in die Maschine gestopft und gewaschen, es fing schon an zu müffeln. 
In der Stadt kaufe ich Hühnchen, Kartoffeln, Tomaten, Tomatensoße und Zwiebeln, für ein leckeres Abendessen, es ist so gut, wenn man sich selbst bekochen kann in den Herbergen. Zu mehr Energie reicht es heute leider auch nicht mehr. Wir machen uns noch für jeden eine heiße Sigg Flasche und dann gehts auch schon ins Bett um 19:00 Uhr. Ausruhen für die morgige Etappe nach Los Arcos. Die Betten haben wir dort in weiser Voraussicht schon reserviert, da die anderen Herbergen erst am 01.03. öffnen. 


28.02.2023 Dienstag, Estella nach Los Arcos – 25 km

(C) Da wir für heute eine private Herberge in Los Arcos vorgebucht haben und diese aber erst um 15:15 Uhr öffnet, lassen wir es gemütlich angehen und planen erst gegen 8:30 Uhr zu starten. Die Nacht war unruhig auf dem schaukelndem Stockbett: Ich oben, Rüdiger unten. Ich kann leider die Leiter nicht barfuß herunter steigen und lasse mich wie ein Aal herunter gleiten, ich habe keine andere Möglichkeit, alles probiert, es geht nur so. Die völlig überforderte Muskulatur leistet einer geschmeidigen Bewegung massiven Widerstand. 
Wir frühstücken gemütlich und ich tausche noch mit Diana, einer Australierin, die wir in Pamplona kennengelernt hatten, die Handynummern für Whatsapp aus, dann marschieren wir los. Die ersten 3 Kilometer langweilig durch die Stadt, dann wird’s extrem weitsichtig und die verschneiten Piccos sind in der Ferne zu sehen.
Im Dezember 2016 bin ich diese Etappe im kompletten Nebel gelaufen, das hatte damals auch was…
Dann das Highlight des Tages und fast wären wir auch noch daran vorbeigelaufen: Ein Brunnen, aus dem Wein gezapft werden kann! Herrlich, wir probieren und füllen eine Flasche ab. Das Weingut betreibt diese Zapfstelle und stellt täglich 100l für alle durstigen Kehlen zur Verfügung, sehr nobel!
Nun schon etwas „heiterer“ hoffen wir unterwegs auf eine warme geöffnete Bar, doch leider schon wieder Fehlanzeige, es hat einfach alles noch zu.
Vor Villamajor machen wir dann kurze Rast am einem Brunnenhäuschen mit der Folge, dass wir mal wieder total verschwitzt auskühlen. Oben bei Villamajor finde ich ein Handykabel und stecke es ein. Auch hier ist die als ganzjährig geöffnete Bar geschlossen, enttäuscht laufen wir weiter. Als plötzlich ein Wegschild auftaucht, das anzeigt, dass Los Arcos noch 9 Kilometer entfernt ist, regen wir uns auf. Man kennt ja schließlich die Kilometer, die man läuft und ist fassungslos wie sich angeblich 21 Kilometer hier anfühlen. Ich hatte heute übrigens 25 Kilometer auf der Anzeige. 
Der Weg ist sehr schön, unglaublich weitsichtig und rechts die verschneiten Piccos, traumhaft. Leider auch sehr schmerzhaft, Rüdiger hat starke Schmerzen in der Brustwirbelsäule und ich wie immer ab 15 Kilometer Krämpfe unter den Fußsohlen. Heute nur eine kurze Heulattacke übrigens…
Gegen 14:00 Uhr kommen wir endlich an. Leider zu früh, aber eine Bar ist auf, aus derem Fenster uns ein Koreaner heftig zuwinkt. Wir kennen ihn nicht und denken er meint nicht uns. Als wir in die warme gemütliche Bar kommen, genehmigen wir uns zwei leckere Café con Leche und Rüdiger noch dazu etwas Hochprozentiges gegen seine Halsschmerzen. Wir kommen schließ mit dem koreanischen Pilger ins Gespräch, er ist Charles aus Los Angeles. Er dreht Youtube Filme und will auch den Camino laufen, wir wollen offensichtlich in die gleiche Unterkunft. Es ist übrigens die einzige Herberge, die im Ort auf hat. Erst ab morgen beginnt die Saison auf dem Camino France und dann haben wieder viel mehr geöffnet, hoffentlich auch die Cafés und Bars!
Eine Philippinin, April, der wir in Estella begegnet sind, die mit einer Gruppe Koreanern unterwegs ist, ist auch dazu gekommen. Sie hat zwar Probleme mit den Füßen, ist dann aber doch gelaufen. Als ich ihr von dem Kabel erzähle, das ich gefunden habe, sagt sie, sie habe eine Brille gefunden. Na sowas, das Kabel gehört einem Pilger aus ihrer Gruppe und die Brille hatte Rüdiger verloren. Auf dem Camino geht nichts verloren… 
Später kaufe ich ein und es gibt Pute, Tomatensauce mit Kartoffeln. Von Charles (Hongtrip) bekomme ich Brown Rice Grüntee geschenkt. Er duftet tatsächlich nach Reis beim Kochen, soll sehr gut für den Magen sein. Nach dem Essen geht es zügig ins Bett.
Die Küche der Herberge war sehr verwahrlost und schmutzig, man musste erst mal alles heiß spülen, bevor man es benutzen konnte.  Alles in allem gehts meiner Muskulatur solala, die Füße krampfen sehr. Rüdiger hat mächtige Probleme mit der Brustwirbelsäule und wir wissen nicht, ob es morgen besser ist, er ist auch erkältet. 


01.03.2023 Mittwoch, Los Arcos nach Viana 

(C) Die Nacht war angenehm warm im 11-Bett Zimmer. Wenigstens etwas, wenn es schon sonst überall kalt war, insbesondere in der Außenküche der ausgebauten Garage. Um sechs Uhr beginnt Pilgerin April zu wirken und ins Bad zu gehen, dann stehen auch wir auf. Noch schnell ein kleines Frühstück in der eiskalten Garagenküche und dann gehts auch schon los. 
Da ich die Etappe nach Sansol damals nicht laufen konnte, bin ich ganz happy, dass es diesmal klappt. Sie ist wunderschön und man merkt, dass man dem Frühling entgegenläuft. Aber der Wind ist leider noch eisig kalt. In Sansol angekommen wären wir gerne auf einen Kaffee eingekehrt, aber leider kann man den nur außen an der Fensterbank vorm Tante Emma Laden trinken. Der Inhaber sagt, in Torres Del Rio gibt es eine Bar. Der Ort ist nur 800 Meter entfernt und ja, endlich eine geöffnete Bar juhuuu! Wir trinken leckeren Café con Leche. Da geht die Tür auf und April und die Truppe aus Estella kommen herein. Wir sind aber bereits schon auf dem Sprung und so begegnen wir uns nur flüchtig. 
Das Wetter ist heute wunderbar sonnig, aber durch den eisigen Wind auch sehr kalt. Ich bewundere immer wieder rechter Hand die spektakuläre Bergkulisse, die noch schneebedeckt ist. Ein traumhafter plastischer Anblick, den man auf den Bildern nicht richtig wahrnehmen kann. Die Etappe nach Viana ist ein auf und ab. Mitten auf dem Weg ein Meer aus Steinmännchen mit einem Wunsch-/Gedenkbaum an dem sehr viele Kleinigkeiten hängen, Bändchen, Haarschmuck und sogar ein Turnschuh liegt daneben. Ich kann mich gar nicht von dem Ort lösen, es fesselt mich sehr. 
Gegen 13:15 Uhr kommen wir an der Albergue Andréas Munoz an. Leider ist sie geschlossen und man soll anrufen. Ich versuche es und spreche auf den Anrufbeantworter. Wir gehen in die nahegelegene Bar und trinken Kaffee und versuchen es dann nochmal. Es wird abgehoben und kurze Zeit später können wir auch schon unsere Betten belegen. Die Herberge ist top sauber, auch die Küche echt blitzblank nebst Zubehör. 
Jetzt erst mal eine heisse Dusche und dann mal eine Runde im Schlafsack aufwärmen mit der heißen Sigg Alu Flasche. Später kaufen wir Essen ein, bekochen uns schön deftig und liegen um 20:00 Uhr bereits im Bett.  Wir haben die gesamte Herberge ganz für uns allein. Morgen soll es über Logrono nach Navarrete gehen, das sind wieder über 20 Kilometer. Aber die Etappe nur bis nach Logrono, das ist uns zu kurz.  


02.03.2023 Donnerstag, von Viana über Logrono nach Navarrete 

(C) Um 7:45 Uhr werde ich völlig verschlafen wach, Rüdiger sitzt bereits komplett angezogen in der Küche und versucht, seinen Rucksack „tragefreundlicher“ für seinen geschundenen Rücken zu packen. Ich packe auch meine Sachen und schon sind wir um 9:00 Uhr auf dem Camino. 
Der Weg nach Logrono führt quer durch die Weinrebengebiete der Rioja. Es weht wieder ein eisiger Wind und lehrt uns, dass doch noch wärmere (und schwerere) Kleidung für die Reise hätten mitnehmen sollen. Nun ist es halt so und wir können noch froh sein, dass wir die Regenjacken und -hosen dabei haben, die uns vor dem eisigen Wind schützt. 
Kurz vor Logrono gibt es den Stempel von Maria Ventosa nicht mehr, da sie letztes Jahr gestorben ist, groß verkündet ein Schild vor dem Häuschen „No Sello“.
In Logrono machen wir eine Kaffeepause und ich beschließe, den Bus nach Navarrete zu nehmen, um meinen Fuß- und Kniegelenken etwas Pause zu gönnen. Der Plan ist, dass ich mit den zwei Rucksäcken vor fahre und Rüdiger läuft. Es dauert noch ein paar Minuten, bis der Bus kommen soll, Rüdiger ist schon weg, da stellt sich heraus, dass jetzt erst mal gar kein Bus mehr fährt wegen des Streiks der Fahrer. Sowas Blödes! Hätte ich es gewusst, dann wäre ich ja gelaufen, aber zwei Rucksäcke gehen beim besten Willen nicht, das ist mir zu schwer. Nun denn, dann muss ein Taxi her. Eine Spanierin ist so lieb und bestellt mir eines, 20.- €, das geht ja noch und vor allen Dingen werde ich bis vor die Tür der Albergue gefahren. 
Der Wirt schläft noch, ich muss ein bisschen warten, bis er kapiert, dass ein Pilger vor der Tür steht. Er ist sehr freundlich und trägt mir sogar den Rucksack bis in die Herberge. Allerdings kostet es 5,00! € mehr als angeben. Das Duschwasser ist leider nur lauwarm, da der Boiler noch nicht aufgeheizt hat. Die Heizung läuft auch erst ab 14:00 Uhr, denn er hat als einziger den Knopf für die Heizkörper und dreht sie damit auf, natürlich rationiert und im Bad dreht er schon gar nicht… 
Ich kaufe ein und wir machen uns Brühe mit Ei, Salat mit Thunfisch und Baguette mit Wurst. Es kommen noch 6 weitere Pilger dazu, die Nacht wird sicherlich schnarchwürdig.  Hier treffen wir M., einen Rennradfahrer, der ziemlich zwanghaft unterwegs ist, jedenfalls hat er wohl irgendwann seinen Humor in die Speichen bekommen… Wir werden ihm später nochmals begegnen.
Rüdiger geht früh zu Bett und ich trinke noch fein die zweite Flasche Rioja leer und schreibe Tagebuch für unseren Blog. Morgen geht es nach Najera, angeblich 18,5 Kilometer aber wer glaubt schon noch dem spanischen Kilometer….


03.03.2023 Freitag, Navarrete nach Najera ca 20 km

(C) Gegen 7:00 Uhr werde ich wach. In der Nacht wurde ich durch einen anderen laut albträumenden Pilger wach. Er jammert laut „I got ruin, I got ruin“. Da ich dann erst mal nicht wieder einschlafen kann, geht es in die Küche und dort werden unsere Thunfisch Baguettes für morgen vorbereitet. Der Wirt hat natürlich die Heizung nachts herabgesenkt und es wird ungemütlich kalt im Schlafraum. Zum Glück wärmt mich die Silbermatte und die Alu Sigg Flasche, die man – gefüllt mit heißem Wasser – hervorragend als Wärmflasche umfunktionieren kann. 
Soviel zur Nacht. Gegen 8:30 laufen wir los, mich hat leider eine Erkältung im Griff und die Außentemperatur geht mir allmählich ans Gemüt. Die heutige Etappe führt auch wieder quer durch die Weinanbaugebiete der Rioja. Es hat sanfte Anstiege, die sich auch im angeschlagenem Zustand gut bewältigen lassen.
Bei Halbzeit machen wir eine Kaffeepause und dann gehts schon wieder weiter Richtung Najera. Es hätten nicht mehr Kilometer sein dürfen, bei mir war es am Anschlag: 21,5 Kilometer wird die Uhr am Nachmittag anzeigen.
Als wir in Najera um 13:00 Uhr ankommen, gehen wir noch etwas trinken und teilen uns ein Boccadillo mit Schinken und Rührei. Sehr lecker. Dann begeben wir uns Richtung Bettenburg, da diese um 14:00 Uhr öffnen soll. Als wir eintreten, stellen wir fest, dass  Renovierungsarbeiten durchgeführt werden und die Albergue erst am 15.03. geöffnet wird. Aber Hauptsache es wird überall geöffnet angezeigt und man war nicht in der Lage, diese Arbeiten vor dem 01.03. auszuführen. Mir ist auch durch die Erkältung sehr frisch und so buche ich über booking-com ein Appartement für teures Geld. Immerhin endlich eine Badewanne, Fön und Waschmaschine und tolle Küche. 
Aber es ist schon ärgerlich. Nichts klappt so wirklich, wie man es geplant hat, denn das verteuert diese Reise ganz enorm. Jetzt muss man sehen, wie man dieses verschwenderische Budget wieder hereinholt.


04.03.2023 Samstag, Von Nájera nach Santo Domingo de la Calzada

(C) Um 7:45 Uhr werde ich wach und Rüdiger steht schon im Wohnzimmer neben dem gepackten Rucksack. Er hat schon Teewasser und Kaffee zubereitet, wunderbar. Ich bin noch völlig benommen, da das Schlafzimmer überheizt war in der Nacht und mich eine Erkältung im Griff hat. 
Gegen 8:40 Uhr laufen wir los, es fühlt sich mittlerweile schon fast frühlingshaft an, aber die Temperatur liegt bei 5 Grad und der Wind im freien Feld ist leider noch eisig. In Azofra trinken wir jeder zwei leckere Café con leche. Zu Beginn haben wir die ersten Höhenmeter und nach Azofra folgt direkt pro Ort eine weitere Steigung. Vor Ciruena treffen wir Patrick „I got ruined“ bzw „I have to suffer“ beim Anstieg und er tut sich unglaublich schwer. Auch ich quäle mich und so laufen wir ein bisschen gemeinsam. Er möchte heute nach Santo Domingo, da er dort Teo und Ineas treffen möchte. Ich teile ihm mit, dass es leider nochmal vor Santo Domingo einen An- und Abstieg hat und er vielleicht mit dem Bus den Abschnitt fahren soll, aber das möchte er auf keinen Fall. Er will „suffering“, verkündet er uns.
Kurz vor dem Ort schwächel ich total und bekomme auch noch Herz- und Kreislaufprobleme. Ich habe zu viel gehetzt, das muss ich mir abgewöhnen. In Santo Domingo angekommen gehen wir in die kirchliche Herberge, sehr schön, aber man muss sich drei Stockwerke nach oben quälen. Gott sei Dank gibt es hier keine Stockbetten…
Am Abend sitzen wir zusammen mit Patrick, Teo und Ineas und essen gemeinsam. Es ist ein super schöner Abend. Schade, dass Patrick so angeschlagen ist mit den Füßen, eine Wiederholung wäre schön gewesen. 
Teo lacht vermutlich heute noch über den Witz, dass er das „Hühnerwunder“ nach vielen hundert Jahren zu einem Ende gebracht hat: Ineas und er haben zwei Hühnchen zum Abendessen gemacht… Einfach mal „Hühnerwunder“ googlen…
Morgen versuchen wir nach Belorado zu kommen, aber das sind leider stramme 22,5 Kilometer. 


05.03.2023 Sonntag, Santo Domingo de la Calzada nach Belorado 

(C) Um halb sieben werde ich wach und beschließe gleich aufzustehen. Erst mal in die Küche und zwei Eier in der Mikrowelle kochen. Auf so eine Idee wäre ich nicht gekommen zu Hause, aber den Gasherd hat die Herberge leider abgeschafft, im Dezember 2016 gab es ihn jedenfalls noch. Aber wer weiß, was da passiert ist… Um 7:00 Uhr kommt Patrick zur Tür rausmarschiert und kann wieder auf beiden Beinen laufen. Die Schwellung und die Schmerzen sind über Nacht besser geworden. Er hat zum Glück entschieden, nicht weiter zu leiden, sondern einen Tag zu pausieren. 
Gegen 8:15 Uhr laufen wir los. Es ist blauer Himmel mit Sonnenschein, aber es hat -2 Grad und außerhalb der Stadt weht ein eisiger Wind. Wir freuen uns auf die Etappe bei dem Wetter und vor allen Dingen einen leckeren Café. Doch Pustekuchen, jede Bar ist geschlossen, so hatten wir uns das leider nicht vorgestellt. Vermutlich ist es sonntags einfach nochmal etwas ganz anderes. Erst zwei Orte vor Belorado kehren wir in so eine Art spirituelle Herberge ein. Dort bekommen wir Kaffee mit Milch und etwas Obst auf Donativa Basis. Der nächste Ort – 4,5 Kilometer vor Belorado – hat auch noch eine kleine Bar und auch hier trinken wir noch etwas. 
Alles in allem ging ein Drittel des heutigen Weges an der Autobahn vorbei. Wir sind froh, als wir endlich in der Herberge El Curro unser Bett einnehmen können. Die Hospitalera ist super lieb und hilft mir bei der Planung der morgigen Etappe. 
Später gehe ich zum Restaurant, um uns etwas zu essen zu besorgen. Leider ist es schon 16:00 Uhr und die Küche geschlossen, so bleiben uns nur die teuren Tapas übrig. Sie schmecken superlecker, sind aber leider sehr fettig. Später kommt noch Ieva, eine Pilgerin aus Lettland in die Herberge. Wir erzählen über unsere bisherigen Erfahrungen von der Reise, insbesondere über die verschneiten Pyrenäen und auch den Sinn des Pilgerns. Es ist ein sehr lustiger und kurzweiliger Abend. 
Ich starte noch eine E-Mailanfrage an eine Herberge in Ages. Dabei stellt sich heraus, dass diese geschlossen hat und die Municipal wurde uns von vorausgehenden Pilgern nicht empfohlen. Eigentlich hatten wir geplant, 8 Kilometer mit dem Bus vorzufahren und dann 20 Kilometer zu laufen. Da wir aber schon genug geschädigt sind mit teuren Hotelübernachtungen in winzigen Orten oder aber auch Pamplona, haben wir nun umdisponiert und fahren morgen mit dem Bus nach Burgos und gehen dort in die Bettenburg neben der Kathedrale. 


06.03.2023 Montag, Belorado nach Burgos per Bus für 3,23 Euro 

(C) Die Nacht in der Herberge ist kühl. Die Heizung fährt um 20:00 Uhr runter. Zum Glück haben wir die Alu Sigg Flaschen und die Silbermatten dabei. Gegen 7:30 Uhr stehen wir auf und packen unsere Sachen, der Bus nach Burgos fährt sogar um 8:45 Uhr pünktlich ab und fährt direkt ins Zentrum der Stadt. Dort angekommen haben wir noch reichlich Zeit, da die Herberge erst um 14:00 Uhr öffnet. Wir haben jetzt sozusagen zwei Etappen übersprungen, jetzt müssen wir mal überlegen, wie wir die Zeit mit den Kilometern aufteilen. 
Wir laufen zur Kathedrale und ein bisschen durch die Stadt und kaufen dann ein. Leider bietet die Herberge nicht mehr die Möglichkeit an, sich Essen warm zu machen, es gibt weder Wasserkocher noch eine Mikrowelle. Kartoffeln und Eier umsonst gekauft, ärgerlich.
Nach dem Einkaufen gehen wir Kaffee trinken, die Preise sind ziemlich unterschiedlich. Je näher das Kaffee an der Kathedrale ist, umso teurer der ganze Spaß. 
Wir entdecken ein „Panoptikum Geschäft“. Das gefällt uns so gut, wir wollen gar nicht mehr raus. Rüdiger gibt noch eine Lehrstunde in Absinth, die Ladenbesitzerin ist fasziniert. Anschließend wird noch bei einem Gläschen Tinto die Zeit vertrieben. 
Die Herberge selbst ist ziemlich voll, einige der Pilger waren bereits gestern schon da. Ich kenne das, weil ich sehe, wie sie ihre Rucksäcke aus den Schränken hervorkramen. Jetzt sind wir auch wieder tagesgleich mit den Koreanern aus Saint-Jean-Pied-de-Port. So klein ist der Camino, wenn man mal den Bus nimmt. 
Am Nachmittag machen wir uns große Portionen mit leckerem Salat und essen knuspriges Baguette dazu. Ich werde gefragt, wo man denn hier Kochen kann. Ich war vor Jahren schon einmal hier war und da ging das noch alles, aber mittlerweile gibt es weder eine Mikrowelle noch einen Wasserkocher. Man kann mit einem Plastikbecher Wasser zum Hospitalero gehen und er macht einem dann das Wasser in der Mikrowelle heiß, so ändern sich die Zeiten.
Morgen wollen wir nach Hornillos del Camino. Die Albergue habe ich mal vorsichtshalber schon per E-Mail reserviert. Es werden um die 20,5 Kilometer sein. 


07.03.2023 Dienstag, Burgos nach Hornillos del Camino

BILDER

(C) Heute sind wir schon ziemlich früh wach und fangen bereits um 6:30 Uhr beide an, unsere Rucksäcke zu packen. Von nebenan hören wir es auch bereits kräftig „kruscheln“. Die unangenehme Italienerin(R: die mir den Rucksack vollgekotzt hat, auf eine kleine Entschuldigung warte ich heute noch…) ist auch schon aufgestiegen und läuft einfach durch unseren Gang, um die Plastikbezüge zu entsorgen…
Schnell ist alles gepackt und wir wollen schon startklar durch die Tür, aber es regnet. Mist, also nochmal rein und die Regenkluft ausgepackt und angezogen.
Der Weg aus Burgos raus ist ein bisschen schwierig zu finden und man muss sehr aufpassen, dass man keinen Pfeil verpasst. Ca. 5 Kilometer nach Burgos hört es endlich auf zu regnen, wir machen eine kleine Pause und essen unser Thunfisch Baguette. Dann geht es weiter und im ersten Ort Tardajos gehen wir direkt in die Bar und juhuuu 😍 es gibt dort Dromedario Kaffee. Dazu essen wir noch ein sehr leckeres Tapas (ebenfalls Thunfisch). Dann geht es weiter, als wir aus der Ortschaft rauslaufen geht Wind ohne Ende, der berüchtigte Meseta-Wind! Unterwegs begegnet uns Caspar aus Dänemark. Wie wir später erfahren, ist er in Burgos auf den Camino eingestiegen und läuft jetzt auch bis nach Santiago. 
Um 13:00 Uhr kommen wir endlich in der Herberge an. Jung Buwang und Do Hwiyeon sind schon vor uns eingekehrt. Die Herberge hat sich sehr zum Vorteil verändert. Es ist viel gemütlicher geworden und es gibt Frühstück und wenn man möchte auch Abendessen für 10 Euro. Erst wollen wir ja nicht, aber dann stellen wir fest: In einer der Bars kann es vielleicht noch mehr kosten. 
Es finden sich vier Pilger zum Menü zusammen. Mirco, der Schornsteinfeger von Beruf ist, hat sich bereit erklärt, ein leckeres Risotto und Rosmarin Kartoffeln zu kochen. Bevor es an das Kochen geht, unterhalten wir uns sehr nett mit Caspar, Buwang und der Hospitalera. Es ist ein lustiger Abend und wir trinken eine Menge Rotwein. Mirco hat Glücksmünzen dabei, auf denen ein Schornsteinfeger drauf ist und schenkt uns eine davon. Der Abend ist wirklich sehr schön und wir sind zufrieden, in die Herberge gegangen zu sein. 


08.03.2023 Mittwoch, Hornillos del Camino nach Castrojeriz

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(C) Um 6:15 Uhr werde ich wach und überlege, wie ich am besten so aufstehe und ins Bad gehe, ohne in dem winzigen 8-Bettzimmer alle Pilger aufzuwecken. Mir fällt nichts ein und so beobachte ich, wer schon alles wach ist und genauso überlegt. Da regt sich der Schornsteinfeger Mirco, schnappt sich alle seine Sachen und geht nach unten in die Küche. Ich gehe erst mal ins Bad, dann sieht man weiter. 
Um viertel vor sieben sitze ich dann ebenfalls in der Küche und frühstücke. Der Hospitalero hat gestern Abend schon alles vorbereitet, man kann sich an den gedeckten Tisch setzen. Wir haben zum Glück mit Frühstück gebucht, denn wie sich bei der heutigen Etappe nach Castrojeriz herausstellen soll, ist mal wieder kein einziges Café oder Bar unterwegs geöffnet. Um 8:15 Uhr geht es dann los, der Hospitalero streckt noch den Kopf um die Ecke und ruft uns „Buen Camino“ zu.
Der heutige Weg hat einige kleine Hügel und zeigt sich im typischen Mesetabild, das sehr weit blicken lässt. Mir öffnet diese weite Sicht immer das Herz und den Geist. Allerdings ist es unglaublich windig heute und das Laufen ist sehr anstrengend. Wir kommen trockenen Fußes genau bis nach Hontanas, dann beginnt es zu regnen und hört nicht mehr auf, bis wir die Herberge San Esteban erreichen, die ich noch von meinem Wintercamino 2016 kenne. Die Betten sind sehr groß und hoch und es gibt Trennwände, so dass wir wie in einer Art kleinem Zimmer für uns sind, nur ohne Tür. Der Schlafraum ist sehr groß und mit vielen Fenster. Es ist sehr günstig und es gibt eine Mikrowelle und einen Wasserkocher sowie Küchenutensilien. Ich gehe direkt einkaufen, bevor das Minigeschäft von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr schließt. Da es leider keinen Herd hat, gibt es wieder Salat. Die Pilger aus Korea machen sich Reis mit Huhn. Sie haben Wein besorgt und bieten uns etwas davon an, aber wir hatten gestern schon reichlich, heute Abend mal ohne Alkohol. 
Den ganzen Tag funktioniert die Heizung nicht und wir machen uns Sorgen, wie wir unsere Kleidung trocken bekommen sollen. Die Hospitalera weiß sich keinen Rat mehr. In meiner Verzweiflung föne ich an der Kleidung herum, doch gegen 20:30 Uhr geht sie plötzlich an… weiß der Kuckuck, wieso.  Wir überlegen morgen bis nach Fromista zu laufen, aber das sind 25 Kilometer und mir fallen ja 20 Kilometer schon total schwer. Ich bin gespannt…


09.03.2023 Donnerstag, Castrojeriz nach Fromista 25,5 km

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(C) Wie gestern schon angepeilt, wollen wir spätestens um 7:30 Uhr los und sind schon um sechs leise am einpacken. Bevor es los geht über den Mostelares mit 12% Anstieg auf 1050 m wollen wir noch Eier in der Mikrowelle machen. Drei gelingen, eins explodiert zur Unkenntlichkeit und ruiniert die Mikrowelle. Also nochmal heftig vorher das Putztuch schwingen, bevor wir losstarten. 
Um kurz nach sieben machen wir uns auf den Weg. An einer Ecke wird eine Wand mit einem gelben Pfeil beleuchtet, sieht richtig gut aus und wirkt auf dem Foto total plastisch. 
Es ist fast Vollmond und er leuchtet groß am Himmel, alles ist still, als wir den Ort verlassen. Das Wetter soll am Nachmittag sehr stürmisch und windig werden und es soll regnen , so wollen wir versuchen, Fromista vor dem Unwetter zu erreichen.
Der Aufstieg auf den Tafelberg dauert ca 20-25 Minuten. Es ist anstrengend, aber der Rückblick auf Castrojeriz ist grandios im beginnenden Sonnenaufgang. Oben angekommen weht es natürlich heftig. Wir machen eine kurze Pause und schon geht es ca 500 Meter über die Platte und dann folgt ca 1/3 Abstieg mit einem grandiosen Blick auf die vor uns liegende Meseta. Der Weg bis nach Itero de la Vega ist heute leider ähnlich morastig, wie bereits gestern. Es klebt am Fuß wie Pech und nervt beim Laufen, man bekommt den Lehm kaum herunter und die Wanderstiefel werden bleischwer, jeder Schritt strengt so doppelt an.
Wo wir heute auch durchlaufen, ist im wahrsten Sinne des Wortes der Hund begraben. Es ist alles geschlossen und kein Café oder Bar über eine Strecke von 25,5 Kilometer, ist ja schlimmer als am Norte. Nur in Itero hat ein kleines Geschäft auf und wir holen uns zwei Cola Zero und trinken sie auf einer davor stehenden Bank. 
Anschließend geht es einen Hügel bei stürmischen Wind nach oben und kurz vor Boadillo beginnt es zu regnen. Wir kämpfen bei dem Wind, die Regenkleidung anzulegen und fluchen nicht schlecht dabei. Leider gibt es auch in Boadillo keine Einkehrmöglichkeit. Ob das Absicht ist? Die Windböen nehmen am Canal de Castilla jedenfalls ordentlich zu und wir haben unsere Last, gerade zu laufen. Unterwegs treffen wir auf Caspar und einen Koreaner, wir hatten drei Pausen und sie haben uns eingeholt. Der Koreaner sagt, man wolle in die Albergue Bretania, das ist eine Wohnung und ziemlich klein. Ich weiß das, weil ich im Dezember 2016 dort war. Rüdiger und ich streben direkt dorthin, doch sie ist geschlossen. Also gehts in die Albergue Luz de Fromista. Wir nehmen ein Einzelzimmer und wie sich herausstellt, total süß und sehr geschmackvoll eingerichtet. Der Hospitalero malt, gab wohl auch mal Unterricht, jedenfalls sind sein Bilder wirklich toll. Insbesondere gut getroffen ist von Vermeer das Mädchen mit dem Perlenohrring.
Endlich gibt es auch Waschmaschine und Trockner und so können wir mal alles durchwaschen. 
Um 17:00 Uhr bin ich pünktlich im Mercado und kaufe kräftig ein, auch 50er Sonnenmilch, denn morgen soll es 18 Grad geben. Es gibt eine Küche und so kochen wir Huhn mit Kartoffeln, Zwiebeln, frische Tomaten und Tomatensugo. Auch Tinto wollen wir trinken, aber wir merken die 25,5 km in den müden Knochen und sind schon nach der Hälfte satt.
Die Pilgerin Do Hwiyeon ist auch in der Herberge und hilft mir beim Öffnen der Weinflasche. Der Öffner ist ein bisschen oldschool, aber gemeinsam bekommen wir es hin.  Das war ein anstrengender Marsch und um 20:00 Uhr liegen wir im Bett und schlafen. Morgen geht es nach Carrion de los Condes.  


10.03.2023 Freitag, Fromista nach Carrion de los Condes

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(C) Ganz gemütlich sind wir heute morgen um 7:30 Uhr aufgestanden und haben noch vor der Etappe gründlich gefrühstückt, da wir auf der heute bevorstehenden Pilgerautobahn vermuten, wieder keine geöffneten Cafés anzutreffen. Wir nehmen jetzt immer ausreichend Verpflegung mit, damit uns das nicht wieder passiert, so kann man außerdem eine Erholungspause einlegen wann und wo man möchte. 
Gegen 9:00 Uhr starten wir, Fromista ist fast menschenleer und es ist nichts los. Das Wetter wirkt wärmer, als es tatsächlich ist. Nach fünf Minuten muss Rüdiger sich die Windjacke überziehen und die Mütze aufsetzen, der Wind ist einfach zu kalt.
Es geht heute 20 Kilometer schnurgerade aus bis Carrion de los Condes. Wir haben Glück und finden ein offenes Café, hier trinken wir jeder gleich 2 Café und probieren auch ein kleines Gläschen von dem spanischen Desertwein, der sehr lecker schmeckt mit seinen 12%. 
Um die Mittagszeit erreichen wir das Café der Albergue Amenecek, die ab dem 1. April ihre Schlafräume öffnen wird. Eine wahre Oase mitten in der Prärie und wir genießen das Gespräch mit dem neuen Pächter aus Nürnberg. Nach 1,5 Stunden müssen wir leider weiter, es liegen noch 9,5 spanische Kilometer vor uns, bis wir das heutige Etappenziel erreichen. Nach drei Kilometern machen wir noch eine Verpflegungsrast in einem kleinen Wartehäuschen an einer Bushaltestelle, bevor wir auch die letzten 6 Kilometer in Angriff nehmen. Unsere heutige Albergue ist die Espiritu Santu, die ich noch aus dem Winter im Dezember 2016 kenne. Es hat sich nicht viel verändert, außer, dass man jetzt nicht mehr dort kochen kann. Für uns reicht es, wir essen sowieso auch gerne Salat. Wie wir aber die 12 Eier verwenden, das ist noch nicht ganz klar. Was soll’s, ich habe keine Probleme mehr mit dem Gewicht des Rucksacks und nehme sie auch roh morgen mit. Das Wochenende steht vor der Tür… bin auf unsere Versorgung gespannt und ob es wieder Tapas werden. Übrigens sind auch heute wieder die Koreaner alle da. 
Morgen gehts in die lange 18,5 Kilometer Meseta Etappe…


11.03.2023 Samstag, Carrion de los Condes – Terradillo de los Templarios 30 Kilometer 

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(C) Heute morgen um 6:15 Uhr ging’s bereits los mit Rucksack packen. Mittlerweile kann ich problemlos wie bei der Bundeswehr im Dunklen alles einfüllen. Anschließend ins Bad, Zähne putzen und Zopf flechten, dann in die Küche, drei Eier in der Mikrowelle garen und einen Tee machen.
Es ist noch dunkel, als wir in die Meseta Etappe starten. 18,5 Kilometer Prärie liegen vor uns. Es ist anstrengend, aber wir machen ca. 4 Pausen an eingerichteten Sitzplätzen und Rüdiger muss auch ein paar Mal ins Gebüsch hüpfen. Er denkt darüber nach, verdorbene Eier gegessen zu haben. Ich habe sie auch gegessen, habe aber keine Probleme.
Nach 18 Kilometern kommt ganz langsam ein Ort aus der Senke zum Vorschein und endlich kehren wir in eine Bar ein. Die Füße und der Rücken schmerzen ziemlich und am liebsten würden wir jetzt aufhören, aber es geht nicht, wir wollen nach Terradillos. In der Bar gönnen wir uns Cola und Café, bevor es an den letzten Teil der heutigen Etappe geht. Der Weg zieht sich wie ein Kaugummi und wir kriechen auf dem Zahnfleisch nach Terradillos. Rüdiger hat üble Schmerzen in der Brustwirbelsäule und kommt kaum vorwärts. 
Als wir endlich im Ort ankommen, stellen wir fest, dass es nicht einmal einen Supermarkt gibt. So sind wir auf das Essen in der Herbergskneipe angewiesen. Heute ist auch Caspar und Ines mit in der Herberge und so essen wir abends gemütlich zusammen. 


12.03.2023 Sonntag, Terradillos de los Templarius – Sahagun 

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(C) Da wir gestern kräftig beim Rotwein und Likör zugeschlagen haben, konnte ich zwar um 21:00 Uhr gut einschlafen, wurde dann aber um 1:30 Uhr wach und das dann auch noch für die nächsten drei Stunden. Irgendwas juckte mich dauernd am rechten Innenarm und es war mir auch zu kalt. Erst mit einer warmen Sigg Flasche ging es dann wieder.
Pünktlich um acht geht dann auch der Rollo der Bar auf, damit wir frühstücken können. Heute ist es draußen sehr diesig und neblig. Wir wollen heute nur 15 Kilometer bis nach Sahagun laufen und dort in die städtische Herberge Cluny, die im Dachstuhl der Iglesia de la Trinidad liegt. Ich war bereits schon zweimal dort und liebe diese Albergue.
Wir sind beide noch sehr erschöpft von der viel zu langen Tour gestern, 30 Kilometer ist einfach nicht mehr schön. 
Nach dem Frühstück geht es durch den Nebel durch Moratinos, wo wir uns die Hobbitshügel ansehen. Die in Erdhügel gebauten kleinen Kammern dienten zur Lagerung von Wein und Vorräten und es sieht nur so aus, als seien sie bewohnt (Schornstein und Fernsehantenne). 
Im zweiten Ort, San Nicolas, trinken wir Café con Leche, das Laufen fällt uns schwer, waren wohl doch zu viele Weine gestern Abend. Dann gehts zum Endspurt Richtung Sahagun. Vor den Pfosten des Stadttors machen wir nochmal kurz Pause. Mittlerweile hat sich auch der Nebel verzogen und die Sonne scheint. Hier ist übrigens Bergfest, weil man hier die Hälfte der Kilometer nach Santiago hinter sich hat. 
Als wir in Sahagun ankommen, laufen wir erst mal an der Herberge vorbei. Alles ist noch wie damals, wenigstens hier hat man den Herd drin gelassen. Wir waschen mal wieder eine Maschine Wäsche und nutzen auch den Trockner, ich mache auch einen kleinen Supermarkt ausfindig und so können wir unseren geliebten Salat machen. Auch die seit zwei Tagen mit mir mitgeschleppten acht Eier können wir endlich verwerten. 
Tropfenweise kommen weitere Pilger hinzu und auch mal zwei Deutsche, so dass wir einen netten Plausch beim Essen haben mit Wolfgang. Der Gute ist mit dem E-Bike unterwegs und erzählt uns während des Essens von seiner Motorradreise ins Hoggargebirge. Sehr schön auch die vielen Details, wie er sich den Magen verdorben hatte und die Matratze dann… aber egal, seine Schilderungen klingen sehr plastisch, da schmeck es gleich doppelt gut! 😁 Der Salat wird bestaunt (wie immer, schon damals). Später kommen auch noch zwei Koreaner dazu, einer schwer erkältet (uns seit Saint Jean Pied de Porte bekannt). Jedesmal, wenn er ins Bad geht, zieht er fast die Lunge heraus und versucht den Schleim abzuhusten… es hallt im Kirchstuhlgewölbe…
Am Nachmittag schlafen wir eine Stunde wie die Toten. Wir sind froh, heute nur eine kurze Etappe gelaufen zu sein. Morgen gehts 17,9 Kilometer nach El Burgo Ranero, auch diese Herberge ist mir bekannt. 


13.03.2023 Montag, Sahagun nach El Burgo Ranero, 22 km

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(C) Heute wollen wir so schnell wie möglich aus der Herberge, damit wir weg sind, bevor der  „kränkelnde“ Pilger aufsteht. Nicht mal mehr Tee mache ich mir! Um 7:15 Uhr sind wir bereits auf der Straße, zum Glück hat bereits ein sehr hübsches Café geöffnet, wo wir uns direkt zwei „Café „con Leche“ gönnen. Der Besitzer verwöhnt uns dazu mit seinen selbst gebackenen Plätzchen. Ein weiterer Grund des frühen Aufbruchs ist, dass es gegen Mittag Sturmböen geben soll, denen  wir auf keinen Fall in der Meseta ausgesetzt sein wollen.
In Bercianos del Real Camino wollen wir eine Rast einlegen, aber leider hat dort die Bar noch geschlossen. Nur ein kleiner Supermarkt hat geöffnet, in dem wir uns etwas Obst und Getränke kaufen. Heute geht es den ganzen Tag an einer Baumallee vorbei, seit 2014 hat sich insoweit etwas geändert, als dass die Bäume jetzt größer sind und die Bänke endlich anders herum stehen, so dass nicht jeder dahinter seine Notdurft verrichtet. 
Kurz bevor wir in El Burgo Ranero ankommen, wird der Himmel duster und die angekündigten Sturmböen beginnen allmählich an Stärke zuzunehmen. Wir treffen auf einen fahrenden Lebensmittelverkauf, kaufen ein bisschen ein, checken aber nicht, dass dies jetzt die einzige Gelegenheit ist, um günstig etwas zu Essen einzukaufen…
Wir suchen nach der Municipal und finden sie irgendwie nicht, schließlich gehen wir zur Herberge Laguna, die als offen im Gronze deklariert wird: Leider ist diese geschlossen. Dann finden wir doch die städtische Herberge. Sie ist ganz nett, auf Spendenbasis aber leider nicht beheizt und mit offenen Gebälk. Der Kamin könnte funktionieren, wenn es denn brennbares Holz gäbe. Wir glauben anfangs, dass wir die einzigen bleiben, aber Pustekuchen: Insgesamt checken nach und nach wegen des Sturms noch weitere 10 Pilger ein. 
Ich gehe schnell an der ca 1 Kilometer entfernten Tankstelle noch einkaufen, leider gibt es nur Delikatessen und im Restaurant Pizza und Kuchen. Wir hatten wenigstens ein bisschen Gemüse und Obst am Wagen kaufen können, ansonsten gibt es hier nichts, es sei denn, man geht um 20:00 Uhr rüber ins Restaurant. So passiert heute nicht mehr viel, wir teilen unsere Ananas mit einem Pilger aus Dortmund, der sich über die leckere Frucht gerne hermacht.  Der Rest der „Horde“ versucht sich darin, den kleinen Ofen anzufeuern, was ihnen aber erst gelingt, nachdem man von der Tankstelle etwas Öl besorgt hat… Der Erfolg ist extrem bescheiden, es ist einfach zu kalt und draußen toben die Sturmböen. Zudem kann man hier wirklich durch die Spalte in den Ziegeln schauen, wenn man in seinem Bett auf dem Rücken liegt. Es zieht mörderisch durch alle Ritzen und wieder einmal ist man über die Flasche mit heißem Wasser froh, die es im Schlafsack erträglicher macht.
Morgen soll es nach Mansilla de las Mulas gehen, zwei Betten in der hübschen Albergue Gaia haben wir schon reserviert.  


14.03.2023 Dienstag, El Burgo Ranero – Mansilla de las Mulas 

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(C) Um 5:40 Uhr bin ich bereits heute morgen aufgestanden, weil ich aus der kalten Herberge raus wollte. Im Erdgeschoss wird die Tür zum Bad durch einen dicken Stein offen gelassen und wer tritt volle Kanone gegen den Stein? Wenn man besonders leise sein will, ist man am lautesten… Gegen 7:00 Uhr laufen wir los und es ist so kalt, mir frieren die Hände an den Wanderstöcken ab. Niemals hätte ich gedacht, dass Spanien um diese Zeit so kalt sein würde und dieser Mesetawind – ist ohne Worte. Wir laufen zügig durch den dämmernden Morgen und sind dadurch so flott, dass wir bereits um kurz nach 9:00 Uhr das 13 Kilometer entfernte Religios erreichen. Leider hat mal wieder nichts geöffnet, weder Supermarkt (den wir eh nicht brauchen) noch die Bars. Also wird nur eine Pause auf einer Bank gemacht und dann die letzen 5 Kilometer nach Mansillas de las Mulas angepeilt. Als wir um 11:00 Uhr ankommen ist die Albergue leider noch geschlossen, da sie erst um 13:00 Uhr öffnet. So genießen wir die Wartezeit nebenan draußen vor der Bar in der Sonne bei Café und Vino Tinto.  Um 13:00 Uhr können wir einchecken und man muss sagen, dass die Albergue Gaia absolut top sauber und super schön ist. Ich gehe direkt einkaufen im Díaz und später bekochen wir uns sehr lecker und unterhalten uns sehr angenehm mit einem kroatischen Pilger aus Stuttgart.
Morgen geht es weiter nach Leon…  


15.03.2023 Mittwoch, Mansilla de las Mulas – Leon

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(C) Heute morgen haben wir uns Zeit gelassen und haben die zwei anderen Pilger im Zimmer zuerst packen und gehen gelassen, anschließend stehen wir auf und machen uns ebenfalls fertig. Rüdiger fand die Pilgerin *** in unserem Zimmer, sie und „Team Ricardo“ hatten anscheinend einen guten Abend. 
Da ich ja abends sowieso immer unseren Proviant vorbereite, gab es außer Rucksackpacken nicht viel zu tun. Ricardo ist heute früh noch auf das Behindertenbad und hat sich so richtig von innen raus gereinigt 😝. Schon seltsam, wie manche Zeitgenossen sich ohne Rücksicht durch die Welt bewegen… Nun denn, so sei es.
Gegen 8:00 Uhr laufen wir los, die Etappe nach Leon kenne ich nicht, bin sie nie gelaufen und somit ist dies auch für mich heute das erste Mal auf dem France. Anfangs noch ländlich, wird es schnell industriemässig wie im Gewerbegebiet. Dafür hat es viele Bars und noch mehr Schotterpisten und Asphalt. Als wir endlich Leon erreichen, gibt Rüdiger richtig Gas, damit wir schnell an der Herberge ankommen und vor allen Dingen Ricardo abhängen 😁.  Wir haben Glück und bekommen ein Vierbett Zimmer, dass wir als Zweibettzimmern nutzen können. Nach dem Duschen fallen wir erst mal komatös in den Schlaf. Ich gehe später noch Einkaufen und dann ist auch nur noch Abendessen angesagt, Proviant für morgen vorbereiten und die nächste Etappe planen. Um 21:00 Uhr fallen wir erschöpft ins Bett.  


16.03.2023 Donnerstag, Leon – Villandangos Del Paramo

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(C) Die Nacht in der großen Albergue war super, wir hatten ein Vierbettzimmer für uns allein und blieben ungestört. Das haben wir gleich mit einer Flasche Port Tawny gefeiert und konnten am Morgen gemütlich packen, wie uns danach war. 
Gegen 8:00 Uhr starten wir los und der Weg führt uns erst einmal an der Kathedrale von Leon vorbei, die Altstadt ist schon wunderschön. Dann geht es raus aus der Stadt und ich muss sagen, das ist nun das genaue Gegenteil: alles andere als schön. Rüdiger findet die Strecke durch das Industriegebiet gut, es erinnert ihn an seine Amerika Reise, so prägen einen halt Erinnerungen…
Heute finden wir viele offene Bars und so gehen wir im nächsten Ort auch direkt zwei Café con Leche trinken. In Virgen del Camino machen wir vor der Kirche Pause und essen unsere Sandwiches. 
Der Rest der Etappe zieht sich an der Bundesstraße entlang und wir sind froh, als wir endlich unser heutiges Ziel erreichen. Natürlich sind es fast 25 Kilometer anstatt angenommene 20. Die Albergue ist auf Spendenbasis und sehr schön. Es gibt auch eine gut bestückte Küche und wir machen uns zum Abendessen ein Kilo geschnetzeltes Huhn mit Kartoffeln. Wieder einmal sehr lecker. Anschließend werden noch die Sandwiches für den nächsten Tag vorbereitet und dann legen wir uns schlafen. 
Heute auch wieder mit von der Partie ist „Team Ricardo“ (ein völlig abgedrehter junger Pilger…) mit neuem weiblichen Fan und in unser Kabuff wird über mir ins Stockbett noch ein Franzose gestopft, der gerade im Moment auf Knien vor den vier Schliessschränken sein Gebet verrichtet. Ich habe direkt die App mit dem Kompass angemacht, um festzustellen, in welche Richtung er betet. Es ist Osten, ein Abendgebet gen Osten. Ich vermute mal, es gibt dann morgen früh dasselbe noch mal. Ich habe unterdessen Krämpfe unter den Fußsohlen und könnte ****! Es lässt mich nicht schlafen. Ich hatte eigentlich gedacht, ich könnte mich auf die Kilometer der Etappen verlassen, das ist leider nicht so…  


17.03.2023 Freitag, Villandangos Del Paramo – Santibanez de Valdeiglesias

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(C) Gegen 6:30 Uhr kommt der Pilger Pierre über mir im Stockbett in Wallung und steht auf. Rüdiger und ich bleiben wie immer schön liegen, bis der andere seine sieben Sachen gepackt hat. Als er alles raus geschafft hat und wir ebenfalls beginnen, alles zusammenzupacken, kommt er auf einmal wieder in das Minikabuff und sucht irgendeine Maske oder… ??? keine Ahnung. Wir suchen sogar noch mit und ich guck kniend unters Bett. Da steigt der auf einmal auf das Bett, kniet sich Richtung Osten darauf und betet fünf Minuten lang oben auf dem Stockbett. Wir lassen ihn machen und packen ruhig weiter. Anschließend mache ich mir noch einen Tee und wir gehen direkt los.
Draußen sind gegenüber hunderte von schwarzen Krähen in den Bäumen und in der Luft, man kommt sich vor wie in Hitchcock „Die Vögel“. Im nächsten Ort gibt es eine superschöne Herberge mit Café, dort machen wir unsere Kaffeepause. Der weitere Weg führt uns kilometerlang an der N-120 entlang, erst kurz vor Hospital del Orbigo verschwinden wir von der Bundestrasse. Auch hier machen wir eine Colapause und kaufen im Supermärktchen etwas ein. Leider haben wir heute Pech mit dem gewählten Miniort. Die Municipal ist kalt, hat unhygienische Stoffmatratzen, keine Küche und soll auch noch pro Bett 10 Euro kosten. Wir hätten nicht mal die Möglichkeit, uns Teewasser zu machen. Wir lehnen ab, was dem Hospitalero nicht so passt. Etwas weiter wäre eine schöne private Albergue gewesen, doch die hat zu, weil sie angeblich Probleme mit dem warmen Wasser haben… Ich glaube hier gar nichts mehr!
Leider müssen wir jetzt in ein teures „schickimicki pseudo Hostel“ für 54,00 Euro. Hier gibt’s auch keine Küche und man will noch Linsensuppe oder Spaghetti als Dinner verkaufen. Das Zimmer ist allerdings schon sehr schön und auch beheizt. Aber in dem Minidorf gibt es nicht mal eine Bar! Die 12,5 Kilometer mehr nach Astorga waren uns zu viel. Dafür haben wir morgen dann nur eine kurze Etappe und gehen dort in die Bettenburg. 
Wir durften uns mit dem Wasserkocher Wasser für unsere Brühe unter Beobachtung der geldgierigen Wirtin heiß machen. Es ist einfach nicht zu fassen, wie teilweise die örtlichen Gegebenheiten ausgenutzt werden, um Pilger abzuzocken…


18.03.2023 Samstag, Santibanez de Valdeiglesias – Astorga 15 km

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(C) Gegen 7:30 Uhr stehen wir auf und packen unsere Sachen, um 8:00 Uhr haben wir wieder den Weg unter den Füßen. Es geht erstmal 8 Kilometer übers Land zum nächsten Ort.
Wir machen eine Pause mittendrin an der Station wo man sich im Nirgendwo einen Stempel holen kann, nennt sich Casa de Diaz. Wir essen etwas Obst und ich trinke Zitrone mit Wasser. In den neun Jahren, die jetzt vergangen sind, ist das Häuschen gewachsen und der spirituelle Pilger hat sogar drei Aussenbetten. Nach der kleinen Pause geht es weiter in den Vorort von Astorga, wo wir einen Café trinken. 
Gegen 11:00 Uhr kommen wir in der Herberge an, haben Glück und bekommen für 7 Euro sogar ein Einzelzimmer mit Stockbett. Da die Herberge erst um 12:00 Uhr öffnet, dürfen wir unsere Rucksäcke trotzdem bereits in das Zimmer stellen und nutzen die Zeit für einen Besuch des Gaudi Palastes. 
Wir können wieder einmal selbst kochen, da die Herberge eine tolle Küche hat. So gibt es hauchdünn vom spanischen Metzger filetierte Hühnerbrust mit Kartoffeln und Tomatensoße. Auch eine Flasche Grahams Tawny lassen wir uns munden. 
Am späten Nachmittag gehen wir nochmal zur Kirche, leider hat sie aber schon geschlossen. Das war ein sehr kurzweiliger und schöner Tag, insbesondere der Palast war ein echtes Highlight!
Morgen geht es Richtung Rabanal del Camino. 


19.03.2023 Sonntag, Astorga – Rabanal del Camino 23 km

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(C) Heute ging es sehr früh los, um 7:15 Uhr sind wir bereits unterwegs. Der Hospitalero läuft schon die Zimmer ab und bittet darum aufzustehen, im Hintergrund läuft Mönchsgesang und die Pilger sollen um 8:00 Uhr die Herberge verlassen. Nicht so angenehm bei den niedrigen Temperaturen außen, es hat gerade einmal 5 Grad in der Stadt und außerhalb sind es eisige -1 Grad.
Wir sind flott unterwegs und im Nu haben wir Santa Catalina de Somoza erreicht. Es hat sogar zwei Pilgerbars dort, das war damals noch nicht so, bin sehr überrascht! Wir trinken einen Kaffee und schon gehts weiter nach El Ganso. Gerne hätten wir hier eine Cola getrunken, aber hier hat leider alles zu. Also gehts weiter im Galopp zum Tagesziel, meine Füße und die Fersen schmerzen sehr, am liebsten würde ich heulen.
In Rabanal angekommen, ist die Municipal besetzt. Keine Ahnung wieso, also gehen wir in die Albergue El Pilar für 10,00 EUR pro Nase. Wir waschen auch mal wieder die gesamte Wäsche und haben Glück, sie wird sogar in der Sonne gut trocken. Es kommen noch ca vier weitere Pilger dazu. Ich kaufe im Minisupermarkt noch ein und dann machen wir uns Brühe mit Ei und später noch Thunfisch mit Salat und Baguette. 
Morgen gehts gemütlich ans Cruz Ferro, denn in El Acebo habe ich ein hübsches Zimmer reserviert mit Frühstück. Das musste jetzt einfach mal sein!


20.03.2023 Montag, Rabanal del Camino – El Acebo 19,5 km

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(C) Gegen 7:00 Uhr stehen wir auf. Für mich war die Nacht im Deuter Schlafsack zu kühl, aber mit der Mütze vom Schlafsack über dem Kopf ging es gerade so. Eine zweite heiße Siggflasche hätte geholfen, aber ich war auch so faul, das Wasser nochmal in der Küche zu auszuwechseln. Rüdiger hatte sein Seideninlett mit und genutzt und ihm war es warm genug. 
Um 8:00 Uhr brechen wir auf und laufen die ersten Meter über die Bundestrasse, um etwas Strecke zu sparen. Im Nu sind wir in Foncebadon und trinken einige Milchkaffees. Einen schönen Hippierucksack schenkt mir Rüdiger. Tolles Andenken, ich freue mich sehr! Anschließend geht es weiter zum Cruz Ferro. Es ist sehr ruhig dort und wir genießen die Ankunft und unsere kleine Auszeit dort mit Stein ablegen. Die Zermonie dort sein und/oder die Sorgen seiner Lieben abzulegen hat etwas wirklich Ergreifendes…. Ein junger Pilger, welcher einige Zeit nach uns ankommt, fragt nach einem Stift, er möchte seinen Stein beschriften…
Dann geht es weiter heftig bergauf und über Manjarin, das derzeit geschlossen ist. Es hackt zwar jemand dort im Vorgarten herum, aber es ist abgesperrt. Wir laufen über den Pass mit spektakulärer Bergkulisse, eine wirklich atemberaubende Aussicht, auch auf Ponferrada. Ich bin damals im Nebel gelaufen und habe davon gar nichts mitbekommen. Heute sehr klare Sicht, mindestens 50 Kilometer weit. Allerdings kommt dann der steile Abstieg, 4 Kilometer lang bis nach El Acebo. Mein lieber Schieber, tun mir die Oberschenkel und die Knie weh. Zum Glück habe ich bereits im Vorfeld ein hübsches Zimmer gebucht mit Bergblick in „La Rosa de la Aqua“. Direkt am Otseingang und wunderschön, sehr zu empfehlen. 
Am Abend essen wir im Restaurant ein Pilgermenü und teilweise auch a la Carte und trinken viel Tinto. Das war ein wirklich fantastischer Tag und die schönste Etappe auf dem France bisher!


21.03.2023 Dienstag, El Acebo – Ponferrada 17 km

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(C) Die Nachtruhe bei mir war sehr durchwachsen. Von dem steilen Abstieg habe ich am Oberschenkel rechts starken Muskelkater und die Füße fühlen sich taub an. Kurzes Heulen bevor ich schlafe hilft, weil das Fass schmerzmässig gerade überläuft. Aber ich nehme keine Ibuprofen, das mache ich nur im äußersten Notfall. Irgendwann kann ich dann doch einschlafen, fühle mich aber am Morgen wie durch den Wolf gedreht.
Um 8:00 Uhr gibt es Frühstück, also stehen wir um 7:00 Uhr auf und packen die Rucksäcke. Das Frühstück ist lecker und es gibt sogar frisches selbstgebackenes Brot. 
Die heutige Etappe geht ziemlich steil bergab, der Weg führt durch das sogenannte Nachtigallental. Einen Teil der steilen Strecke sparen wir uns, indem wir die Landstraße nehmen, aber irgendwann müssen wir dann doch auf den eigentlichen Weg. Als wir 700 Höhenmeter später unten in Molinaseca ankommen, zittern mir schön die Knie. Aber es ist geschafft und in einem Supermarkt gönnen wir uns etwas Obst und Getränke. Wir nehmen dann auch wieder eine kürze Variante nach Ponferrada. Ein anderer Pilger versucht uns zu erklären es gehe aber links lang. Ich antworte, dass es aber rechts drei Kilometer weniger sind. 😁
Zügig kommen wir gegen 12:00 Uhr in der Albergue San Nicolas de Flüe an, die jedoch erst um 14:00 Uhr öffnet. Ich hatte vorher von der Brillenmarke Dilem Adressen von Optikern in Spanien per Mail mitteilen lassen, die diese Marke führen. In Ponferrada ist es endlich soweit. Ich nutze die Zeit und gehe zu dem besagten Brillengeschäft. Sie sind superfreundlich und reparieren mir meine völlig gefetzte Brille, auf die ich mich nicht nur gesetzt hatte, sondern im Dunkeln in der Herberge nochmal drauf gestiegen bin. Sogar ein festes Etui schenkt mir die Optikerin. Ich bin so dankbar und weiß gar nicht wie mir geschieht. 
Anschließend gehe ich noch in den Supermarkt Alimerka und kaufe etwas Leckeres zum Kochen ein. Die Herberge wird ordentlich voll, viele Pilger sind in Leon dazu gekommen und laufen wohl zur Osterzeit nach Santiago. Das wird jetzt auch den gesamten Weg voller machen. Wir zählen schon unsere restlichen Tage und sind froh, Santiago bald zu erreichen. Es reicht uns langsam. Wir sehen auch mittlerweile ziemlich abgehalftert aus. Rüdiger war heute beim Friseur und hat sich die Haare abrasieren lassen für 18,50 Euro. Beim Abendessen saß ein Pilger dabei, der hatte sich eine Flasche Whisky geholt und trank ein ordentliches Glas oder auch drei davon… 


22.03.2023 Mittwoch, Ponferrada – Cacabelos 17 km

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(C) Die Nacht in der Alcatraz Herberge war so lala. Das Bett in dem ich liege quietscht bei jeder Regung und die „psy“ Studentin über mir verliert mehrmals in der Nacht die Nerven. Um 8:00 Uhr muss die Herberge geräumt sein, also starten wir entsprechend früh. Im nächsten Ort gibt es eine Rast auf Café und einen Zumo und schon gehts auch weiter. Zwei kleine Hügel müssen überquert werden und dann sind wir auch schon da. Die durchquerten Ortschaften sind immer gleich und geben nicht viel her. Cacabelos sieht ein bisschen aus wie eine Westernstadt und es fehlen nur noch die Pferde, die vor der Tür angebunden stehen und „tumbling weed“….
Die Herberge ist über einer Kneipe. Unten gibt es einen Aufenthaltsraum mit Anrichte und einer Mikrowelle. Das Zimmer für 13,00 Euro mit zwei Doppelstockbetten und einem Winzbad direkt gegenüber dem Bett. Jeder Furz wird gehört. Wir laufen durch den Ort und trinken einen Tinto, zu dem ein kostenloses Häppchen serviert wird. Später kaufen wir Salat etc ein und essen kalt.
Wir haben beide allmählich die Schnauze voll und sind froh, wenn wir wieder zu Hause sind. Der angebliche Charme des Weges fehlt, die Etappen sind trist und der Körper erholt sich in der kurzen Zeit einer Nacht nicht mehr wirklich auf ein vitales Niveau!


23.03.2023 Donnerstag, Cacabelos – Trabadelos 20,5 km

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(C) Gegen 7:00 Uhr werde ich wach und Rüdiger ist bereits am Rucksack packen. Ich schließe mich an, der Pilger über Rüdiger im Stockbett schläft noch weiter, vermutlich lässt er uns erst packen und wenn wir weg sind wird er dann auch aufstehen. Mich fragt er jedenfalls, ob ich ihm sagen könnte, ob die Bar unten jetzt schon auf sei. Um 8:00 Uhr marschieren wir los, es beginnt direkt mit Steigungen als wir aus dem Ort raus laufen. Wir nehmen die kürzere Route über die Landstraße. So haben wir auch nur einen knackigen Hügel nach Villabierzo. Dort angekommen suchen wir nicht das erste Café auf, sondern irren im Ort umher und suchen weitere Möglichkeite für etwas zu trinken. Finden wir dann auch und genießen leckeren Milchkaffee und bekommen gratis kalorienlastige Churros dazu serviert. Dann geht es bis nach Trabadelos über die asphaltierte Landstraße. In Perejes machen wir Sandwichpause. Die Ortschaften sind alle menschenleer und fast unbewohnt, uns scheint, als lebt hier die letzte Generation, wenn überhaupt und dann ist Ende. Laut Gronze soll dort angeblich die Albergue geöffnet haben. Das ist nicht der Fall. Wir saßen davor und sie hat geschlossen. Soviel dazu…
In Trabadelos angekommen gehen wir in die Albergue Parroquial. Der Hospitalero ist Pilger durch und durch. Er hat einen gelben Pfeil auf der linken Brust tätowiert und umarmt uns ständig. Wir nehmen das Zweibettzimmer für 25 Euro und sind später sehr froh darüber, denn es wird voll. Ich gehe direkt nach unten um die Ecke und kaufe Huhn, Tomaten, Zwiebeln, Kartoffeln und Tomatensoße für unser leckeres Essen. Die Küche muss übrigens dringend immer akkurat aufgeräumt werden, der Herbersvater ist da ein wenig zwanghaft unterwegs und steht ständig daneben… Da lassen wir uns natürlich nicht lumpen und spülen und trocknen ab, was das Zeug hält. Auch eine Waschmaschine mit Trockner kommt mal wieder zum Einsatz, damit der Muff aus den Klamotten kommt. Später trudeln Pilger über Pilger in die Herberge und wir gratulieren uns ständig, dass wir das Zweibettzimmer genommen haben. 


24.03.2023 Freitag, Trabadelos – Ambasmestas  5,5 km

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(C) Die Nacht in der Herberge war – schlaftechnisch zumindest für mich – viel zu kurz. Bis um 3:00 Uhr heute morgen habe ich mich wach im Bett herum gerammelt. Und Rüdiger hatte mit Magen-Darm-Problemen zu kämpfen. Um 7:00 Uhr sind wir dann aufgestanden und Rüdiger ging es schon nicht gut. Aber sich Zeit lassen geht nicht, da man die Herberge bis um 8:00 Uhr zu räumen hat. Rüdiger schleppt sich mehr oder weniger über den Weg. Als wir gegen 10:00 Uhr in Ambasmestas eine offene Bar finden, kehren wir ein. Rüdiger wird kaltschweissig und es geht ihm immer schlechter. Der Kreislauf sackt völlig in den Keller und er sieht furchtbar aus. Er denkt jetzt stirbt er. Ich weine und rufe, André, der Mann in der Bar hört mich anscheinend nicht…
Schließlich kommt die Dame des Hause und will direkt einen Notarzt holen… Ich frage nach einem Zimmer und zum Glück bekommen wir sofort eins. Er kann sich gerade noch so ins Bett schleppen. 

(R) Kurzer Einschub. Als wir morgens aufbrechen merke ich, etwa stimmt nicht. Ich fühle mich schwach und das Aufsetzen des Rucksacks macht mir schon Probleme. Über Nacht hat es ausgiebig geregnet und so ist wenigstens die Luft klar und kühl. Wird schon, lauf mal ein paar Kilometer, so mein Credo. Aber leider, leider… es wird nicht besser, im Gegenteil. Ich laufe immer kurz vor der Ohnmacht, unterwegs überlege ich, mich kurz auf eine nasse Steinbank am Wegrand zu legen. Aber ich weiß: da komm ich dann nicht mehr weg.. also weiter… wir erreichen eine Bar, nichts geht mehr. Als ich vor der Tür den Hüftgurt öffne wird mir klar: Das reicht hoffentlich noch bis auf einen Stuhl. Hier werde ich mehrere Male ohnmächtig, es wird dunkel, ich höre Stimmen durch Watte… aus…. Herrschaft nochmal, so kommen die Kreuze an Wegrand zustande….
Immerhin das Glück ist uns hold, es gibt Zimmer. Auf dem Weg nach oben wäre ich vermutlich zu Tode gestürzt da ich immer wieder die Besinnung halb verliere, aber Conny läuft direkt hinter mit und verhindert das Schlimmste. Auf dem Bett schaffe ich noch die Schuhe auszusziehen, dann wird es erstmal wieder für länger dunkel…

(C) Das war der heutige Tag erst mal. Mal schauen, wie es ihm morgen geht. Die Reservierung für heute in La Laguna in der Albergue Escuela konnte ich auf morgen verschieben. Auch den Rucksack Transport für 7,00 Euro zur Herberge morgen habe ich bereits geklärt. Ist halt alles nicht so einfach. Rüdiger schläft den ganzen Tag und isst nur ein wenig trockenes getoastetes Brot und trinkt Cola oder Mineralwasser. Die Dame an der Rezeption ist ein Engel und versorgt Rüdiger mit frisch getoasteten Weißbrot und bietet auch Hilfe an, wenn es sich nicht bessern sollte. Ich gehe am Abend noch ein Pilgermenü alleine essen. 
Auch wenn der Grund für diese kleine Auszeit traurig ist, genieße ich dennoch die kleine Auszeit und die Privatsphäre, die wir ja sonst in den gemischten Herbergen nicht haben. Außerdem nehme ich auch endlich mein Strickzeug wieder in die Hand.


25.03.2023 Samstag, Ambasmestas  – La Laguna 12 km

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(C) Die Nacht im Hotelzimmer ist angenehm entspannt. Gegen 7:00 Uhr werden wir wach und Rüdiger geht es schon etwas besser. Wir packen die kleinen Rucksäcke und  machen die großen für JacoTrans fertig. Pünktlich um 8:00 Uhr gehen wir dann runter zum Frühstück, auch Rüdiger hat schon langsam wieder Appetit und isst etwas. 
Gegen 9:00 Uhr starten wir. Es ist ein verdammt gutes Gefühl, nur mit einem Mini Rucksack unterwegs zu sein! Wie angenehm lastenfrei zu Wandern und die Landschaft zu genießen. Wir sind froh, dass wir uns dafür entschieden haben und werden das morgen wiederholen.
In Las Herrerias machen wir eine Kaffeepause in der Bar, bevor es dann stramm nach La Faba hoch geht. Übrigens steht die alte Waschmaschine immer noch in Las Herrerias draußen im Ort und ist mittlerweile sehr grün bewachsen. 
Die Höhenmeter hören sich dann schlimmer an, als wir sie beim Aufstieg empfinden. Rüdiger zieht zügig an La Faba vorbei, während ich etwas außer Atem komme und mir eine kleine Trinkpause gönne. Gegen 12:00 Uhr kehre dann auch ich in die Bar der Herberge in La Laguna ein. Wir nehmen auch heute nochmal ein Privatzimmer, das sehr hübsch ist. Wir genießen zur Zeit die Zweisamkeit und haben die Gemeinschaftsherbergen ziemlich satt. Aber es ist sehr teuer und kostet halt fast jedes Mal 50 Euro. 
Nachmittags gönnen wir uns Pommes mit Knoblauchmayonnaise und abends eine galicische Gemüsesuppe mit Filet mit Salat. Auch JacoTrans bereite ich bereits für morgen wieder vor.
Gegen Abend zieht Nebel auf und dann tobt doch tatsächlich ein Sturm in den Bergen mit heftigem Wind und Schneeschauer. Ich bin sprachlos, wie schnell sich das Wetter in den Bergen ändern kann. Morgen haben wir eine lange Tour vor uns. Es werden ca 25 Kilometer bis nach Triacastela werden. Die Sommerzeit wird heute Nacht eingestellt, dann fehlt morgen früh eine Stunde…


25.03.2023 Sonntag, La Laguna – Triacastela 26 km

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(C) In der Nacht hatten wir einen ganz schönen Sturm mit Schneeregen. Ich dachte schon, dass man das heute früh sehen würde, aber außer dass es ziemlich frisch war, konnte man nichts mehr davon bemerken.
Nachdem wir unsere Rucksäcke für JacoTrans fertig gemacht haben, starten wir um 8:00 Uhr hoch Richtung O’Cebreiro. Die Aussicht über die Berge in der aufgehenden Sonne ist traumhaft. In der Nacht ist auch die Uhr auf Sommerzeit eine Stunde vorgestellt worden. Es geht gemächlich bergauf, auch den Grenzstein zu Galicien erreichen wir.
Oben angekommen machen wir eine Kaffeepause und dann gehts auch schon weiter. Leider macht die schöne Kirche dort erst um 11:30 Uhr auf, schade, ich wäre zu gerne hinein gegangen. Die weitere Etappe hat noch ordentlich Höhenmeter, aber ohne die schweren Rucksäcke läuft es sich sehr gut, man kann die Landschaft viel mehr genießen. 
Zum Alto do Poio zieht es sich nochmal steil nach oben auf 1370 Meter, dann ist es auch schon geschafft, hier legen wir auch nochmal eine Pause ein. Dann laufen wir durch bis Triacastela und müssen wieder 700 Meter Höhe nach unten. Mein rechtes Knie jodelt ordentlich und ich habe schon die Befürchtung, ich schaffe es nicht.
Die heutige Herberge haben wir vorgebucht, damit wir die Rucksäcke dorthin schicken können. Sie sind auch schon da, als wir dort ankommen. Die Unterkunft ist sehr schön und gepflegt und es gibt richtige Bettwäsche. 
Heute kommt auch Teo, den wir schon aus Saint Jean Pied de Porte etc. kennen. Wir feiern das später im Restaurant, wo wir ihn treffen mit sehr viel Orujo ab. 
Morgen gehts nach Sarrià. Santiago kommt immer näher… 🤗 


26.03.2023 Sonntag, La Laguna – Triacastela 26 km

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(C) In der Nacht hatten wir einen ganz schönen Sturm mit Schneeregen, ich dachte schon, dass wir heute früh Schnee liegen würde, aber außer dass es ziemlich frisch war, konnte man davon nichts sehen. Nachdem wir unsere Rucksäcke für JacoTrans fertig gemacht haben, starten wir um 8:00 Uhr hoch Richtung O’Cebreiro. Die Aussicht über die Berge in der aufgehenden Sonne ist traumhaft. In der Nacht ist auch die Uhr auf Sommerzeit eine Stunde vorgestellt worden. Es geht gemächlich bergauf, den Grenzstein zu Galicien erreichen wir zuvor. Oben angekommen machen wir eine Kaffeepause und dann gehts auch schon weiter.
Leider macht die schöne Kirche dort erst um 11:30 Uhr auf. schade, ich wäre zu gerne hinein gegangen. Die weitere Etappe hat noch ordentlich Höhenmeter, aber ohne die schweren Rucksäcke läuft es sich total gut. Man kann die Landschaft endlich schwerelos genießen. 
Zum Alto do Poio zieht es sich nochmal steil nach oben auf 1370 Höhenmetern, dann ist es auch endlich geschafft. Hier legen wir auch nochmal eine Pause ein und anschließend laufen wir durch bis Triacastela und müssen wieder 700 Meter Höhe nach unten. Mein rechtes Knie jodelt ordentlich und ich habe schon die Befürchtung, ich schaffe es nicht.
Die heutige Unterkunft haben wir vorgebucht, damit wir die Rucksäcke dorthin schicken können. Sie sind bereits da, als wir dort ankommen. Schön und gepflegt ist es und es gibt richtige Bettwäsche. 
Heute kommt auch Teo in die Herberge, den wir schon aus Saint Jean Pied de Porte kennen. Wir feiern das später im Restaurant, wo wir ihn treffen, mit sehr viel Orujo…
 Morgen geht’s nach Sarria. Santiago kommt immer näher….


27.03.2023 Montag, Triacastela – Sarria 20 km

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(C) Mir fällt es leider immer schwerer, in den Herbergen abends einzuschlafen, surfe dann noch stundenlang im Internet herum und warte auf eintretende Müdigkeit. Ich kann dann aber morgens auch nicht lange schlafen. Um sechs werde ich wach und würde am liebsten schon packen, aber Rüdiger schläft da meistens noch und ich will die anderen nicht stören. Ich habe mich dann schon mal im Bad fertig gemacht und gehe in den Aufenthaltsraum und stricke ein bisschen. 
Um 7:00 Uhr wird dann auch Rüdiger munter und wir packen unsere Rucksäcke, auch heute schicken wir sie vor. Es ist einfach so wahnsinnig angenehm mit Leichtgewicht zu laufen und was tut es den Gelenken und dem Rücken gut. Um 7:30 Uhr gehen wir frühstücken mit allem drum und dran, sehr fettig. Dann geht es los, das Wetter ist herrlich, aber eisig. Es hat Reif vom Frost in der Nacht. Beim Laufen wird uns dann schnell warm, weil es wieder einige Höhenmeter hat, die zu überwinden sind. Als wir oben ankommen können wir die grandiose Aussicht genießen und mindestens 100 Kilometer weit ins Land schauen. Tolles Wetter heute! In Pintin können wir endlich eine Kaffeepause machen, der Rest der Etappe nach Sarria ist kurzweilig und gegen 12:30 Uhr kommen wir an der vorgebuchten Albergue Oasis an. Leider  wurden unsere Rucksäcke noch nicht geliefert. Das macht uns etwas nervös. Die Hospitalera ist so lieb und ruft bei JacoTrans an und sie teilen mit, dass die Rucksäcke demnächst gebracht werden. 
Ich nutze die Zeit und kaufe ein, Eier, Kartoffeln und Salat. Auch Teo kommt heute zu uns in die Herberge. Am Abend unterhalte ich mich mit ihm über die Gründe unserer Auszeit, sehr interessant…
Morgen geht es nach Portomarin. 


28.03.2023 Dienstag, Sarria – Portomarin

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(c) Heutiges Tagesziel von aus Sarria war Portomarin. Leider bemerken wir nicht vor lauter Fotomachen am frühen Morgen am „Sarria“ Schild, dass wir rechts abbiegen hätten müssen und verlaufen uns dann auch noch, da ein „Wegestein“ sogar noch die falsche Richtung bestimmt. Erst nachdem wir ca. 1 Kilometer vor einem bäuerlichen Anwesen in einer Art Sackgasse landen, schauen wir in die Navigationsapp und bemerken den Fehler. Toll! Schön steil bergauf zurück zum Sarria Schild, dadurch mussten wir heute unfreiwillig 28 Kilometer laufen. 
Der Weg ist jetzt völlig überfüllt mit Pilgern und erinnert mich ein bisschen an einen Faschingsumzug, fehlt nur noch, dass man Helau! und Alaaf! ruft. Das Wetter ist dafür fantastisch und es duftet hier nach Sommer, like it 👍🏻! 
Den Rucksack tragen wir jetzt gar nicht mehr und schicken täglich beide vor in unsere bereits bis zum Ende des Weges vorgebuchten Herbergen. Das ist einfach genial!
Heute Abend haben wir zusammen mit Teo aus Korea „Gulasch“ Special gekocht, er hatte gestern die Idee. Alledings hat ihn die Menge an Fleisch, die er kochen sollte doch überrascht: Rüdiger hat ihm klargemacht, dass ein Mann mindestens 600 – 800g Fleisch braucht… 😁Das hat Spaß gemacht, war extrem lecker, es war ein sehr lustiger Abend. 


29.03.2023 Donnerstag, Portomarin – Palas de Rei 29 km

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(C) Gegen 6:30 Uhr stehen wir auf und packen unsere Sache, kurz nach 7:00 Uhr laufen wir auch schon los, es ist noch dunkel. Die heutige Etappe geht gleich mit ordentlich Höhenmeter los und das wird auch noch den ganzen Tag so bleiben. Die ersten 10 Kilometer gibt es auch mal wieder kein Café oder Bar, aber bei einer guten Sitzgelegenheit machen wir eine Paus, und essen unsere vorbereiteten Sandwiches. 
Es sind auch wieder jede Menge Kids unterwegs, die in Trauben an uns vorbeiziehen. Der Weg zieht sich ewig wie ein Kaugummi und ist langweilig, es gibt nicht viel zu sehen und man schraubt einfach nur die Kilometer herunter. Mit der Tour heute bleiben noch 66 Kilometer bis Santiago. 
Als wir endlich um kurz vor zwei in Palas de Rei ankommen, stellen wir fest, dass die Herberge fast am Ortsausgang liegt. Da gehen dann nochmal zwei Kilometer mehr auf die Uhr fürs Einkaufen. Immerhin müssen wir dann morgen nicht durch den ganzen Ort. Die Herberge ist schön und super sauber. Und wenig besucht, wir sind gerade mal 5 Pilger heute. Nach dem Einkaufen machen wir uns noch lecker Essen in der Küche, die auch sehr sehr sauber ist. 
Die weiteren vier Etappen haben jetzt nicht mehr so viel Kilometer, wir werden bereits in vier Tagen in Santiago sein, mehr braucht es nicht. Wir kennen es außerdem schon sehr gut von unseren letzten Reisen. 


30.03.2023 Freitag, Palas de Rei – Melide 15 km

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(C) Die Nacht in der „Hotel-Herberge“ war für mich ok, die Matratze war schön dick, sodass ich echt mal gut geschlafen habe. Ansonsten fand ich es einfach nur zu warm. Aber das ist jetzt Jammern auf hohem Niveau.
Wir stehen relativ spät auf, weil die Etappe nicht sehr weit heute ist. Gegen 8:15 Uhr sind wir mit der Schulklasse zusammen unterwegs, es ist wie immer ziemlich voll. Die erste Pause für einen Kaffee machen wir nach ca 6 Kilometer, nachdem wir ein paar Hügel überwunden haben. Leider mühen wir uns auch heute wieder mit unserem permanenten körperlichen Erschöpfungszustand ab, es wird nicht besser. Wir legen auch nochmal eine Sandwichpause ein, die auch nicht viel weiterhilft, spätestens nach dem nächsten Hügel ist die Energie aufgezehrt. Es liegt vermutlich daran, dass man die Batterie bei der täglichen Laufleistung einfach nicht mehr mit einer Nacht frisch geladen bekommt. Es wird Zeit, dass wir ankommen. 
Gegen 11:40 Uhr sind wir in Melide. Da die Herberge noch zu hat, gehen wir in die Pulperia und ich esse den gegrillten Pulpo mit Kartoffeln. Selten habe ich so leckeren Pulpo gegessen! Anschließend checken wir ein, es ist ganz nett und es gibt eine Küche. Wir kaufen im Eroski nebenan ein und machen lecker Salat, abends sitzen wir noch bei einer Flasche Port zusammen und lassen den Tag ausklingen. Ich habe übrigens heute etwas umdisponiert in Booking Com und wir haben jetzt zweimal die Hospederia und zweimal die Pension Santa Cruz. Keine Herberge mehr in Santiago, wir wollen unsere Ruhe. 


31.03.2023 Freitag, Melide – Arzua 15 km

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(C) Die Nacht in der Albergue war für mich sehr schlaflos: Die Matratze war extrem durchgelegen und ich lag darin, krumm wie eine Banane, dazu noch ein völlig ballonartiges Kissen, was das Liegen auf der durchgelegenen Matratze noch schlimmer machte. Gegen 2:30 Uhr muss ich dann wohl eingeschlafen sein und ein übles Schnarchkonzert abgegeben haben. Morgens tut mir der Hals von diesem Getröte weh. Um 7:15 Uhr werde ich wach, Rüdiger ist schon am Packen. Also stimme ich direkt ein in das „Gekruschel“.
Gegen 8:00 Uhr machen wir uns auf den Weg nach Arzua, nur 15 Kilometer. Leider vergesse ich meine Regenhose und den Rucksack Überzug. Wir hatten laut Wetterbericht erst um 11:00 Uhr mit Regen gerechnet, stattdessen beginnt es jetzt um 8:30 Uhr wie aus Kübeln zu schütten. Wir werden total nass. In einem offenen Café muss dann die Küchenrolle herhalten, um die Haare und die nassen Kleider trocken zu reiben. Auf den Wetterbericht kann man sich in Galicien anscheinend nicht verlassen. Da wir heute nur 15 Kilometer bis Arzua haben, erreichen wir die vorgebuchte Herberge Ultreia knapp eine Stunde zu früh. Wir nutzen die Zeit, um unsere Sandwiches zu essen. Der  Herbergsvater gibt uns frischen Butterkäse der drei Monate gereift ist mit frischem Brot, EXTREM lecker! Diese Albergue Ultreia ist die schönste Herberge, die wir auf dem Camino gebucht haben. Unglaublich sauber alles, das Bad wie eine Wellness Oase und die Betten sind sehr schön abgetrennt alle und mit frischer Bettwäsche. Die Matratze neu juhuuu wie ich mich freu! 
Heute bin ich ein bisschen wehmütig, da sich unsere Zeit nun langsam dem Ende naht. Natürlich sind wir auch froh, dass wir bald zu Hause sind, aber trotzdem, die vielen tollen Begegnungen mit den anderen Pilgern, das gemeinsame Kochen oder die Vino Tinto Abende. Das werden wir schon vermissen. Jetzt haben wir noch zwei Wandertage, dann erreichen wir Santiago. 


01.04.2023 Samstag, Arzua – O Pedrouzo 20 km

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(C) Gegen 7:00 Uhr stehen wir auf. Als ich ins Bad gehe, ist das Bad völlig nass und vernebelt, weil da irgendein/e Pilger/in morgens nochmal duschen musste, so ein Wellness Badezimmer muss ja genutzt werden. 
Um 8:00 Uhr starten wir los. Wie immer lassen wir unsere Rucksäcke mit JacoTrans für 4:00 Euro vorschicken, in die bereits vorgebuchte Herberge. Äußerst praktisch und von unserer Seite aus nicht mehr wegzudenken. Selbst nach Santiago werden wir sie die 5 Kilometer ins Hotel vorschicken. Es geht natürlich wieder einige Hügel rauf. Es ist nie eben. Nach ca. 8 Kilometern legen wir eine längere Kaffeepause ein, später kurz vor Santa Irene auch nochmal für einen Café con Leche. Es ist kurzweilig und es passiert so gut wie gar nix mehr. Wir stellen fest, dass ich die Herberge vor Pedrouzo gebucht habe. Das macht aber nichts, da der Camino vor Pedrouzo weitergeht und wir somit Zeit sparen. Leider gibt’s nur zwei Restaurants an der Herberge. Der Hospitalero ist so lieb und fährt mich mit seinem Auto in den Ort zum Einkaufen. Heute mache ich zum letzten Mal die Sandwiches für den morgigen Tag, dann ist es geschafft und wir laufen keine weiten Strecken mehr. Es gibt noch die morgige Etappe nach Monte do Gozo und Tags darauf die letzten 5 Kilometer nach Santiago. Gestern hatte ich abends in der wunderschönen Herberge so ein wenig Post-Camino Blues. Ein paar Tränen sind geflossen beim Schreiben des Tagesberichtes. Es war schon schön, auch wenn wir jetzt sehr erschöpft sind und mal ein paar Tage Ruhe brauchen.  


02.04.2023 Sonntag (Palmsonntag), O Pedrouzo – Monte do Gozo (5 KM vor Santiago)

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(C) Gegen 7:30 Uhr werde ich wach, Rüdi ist schon am Wuseln und Sachen packen. Also mache ich mich auch ins Bad. Heute haben wir die letzte lange Etappe auf den Monte de Gozo vor uns: Es waren genau 19 Kilometer jetzt im Rückblick. 
Gegen 8:15 Uhr starten wir. Es ist ziemlich voll, da schon wieder zwei Reisegruppen unterwegs sind. Auch der Spanier nutzt den Palmsonntag, um nach Santiago hineinzulaufen. Als wir später in Lavacolla Café trinken, sehen wir im Fernsehen, was in Santiago heute los ist und sind froh, dass wir erst morgen am Montag dort ankommen. Die Menschenmassen törnen uns mächtig ab. In Lavacolla besuche ich auch wieder einmal eine offene Kirche und zünde für meinen Bruder und uns eine Kerze an. Der Pfarrer klingelt ständig die Glocke und lässt auch Pilger läuten. 
Gegen 13:30 Uhr kommen wir an den Pilgerfiguren an und machen Unmengen von Fotos. Ein Fahrradfahrer ist so freundlich und fotografiert uns, so sind wir auch mal zu zweit auf einem Bild.
Das Zimmer ist heute ein Vierbettzimmer und wir teilen es mit zwei anderen Reisenden; keine Ahnung, es steht nur ein Koffer da und eine Plastiktüte liegt auf dem Bett. Wie sich dann später herausstellen wird, ist es ein junger Mann aus Mexiko, Gilbert, der sich Santiago anschaut. Ein anderer muss morgens sehr früh zum Flughafen. Gilbert treffe ich dann auch noch einmal persönlich an Gründonnerstag abends in der Altstadt, bevor ich mich mit Diane aus Australien zum Lunch treffe.
Anschließend duschen wir und feiern im Restaurant unsere Reise. Nachtrag: Auch wenn ich alle Gebete zum Himmel schickte und um Heilung meines Bruders gebetet habe, hat es nicht gereicht. Der Krebs hat ihn am Ende besiegt und ihn am 21.11.2023 ist er friedlich eingeschlafen. 


03.04.2023 Montag, Monte do Gozo – Santiago 

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(C) In der Nacht schlage ich mir beim Herabsteigen vom Stockbett ganz übel die linke Hand an. Stockbett oben ist nix für mich. Nachdem sich Rüdiger mit Gilbert, dem anderen Reisenden, eine ganze Weile unterhalten hat, starten wir um 9:00 Uhr auf die letzten 4 Kilometern zur Kathedrale nach Santiago. Mir gehts nicht gut, da der Restalkhohol des gestrigen Abends noch ordentlich wirkt. Da gibt’s nur eins, ein Spaziergang an der frischen Luft!
Als wir in der Altstadt ankommen, gehen wir erstmal direkt die Compostela und Distanzbescheinigung abholen. Unsere Befürchtungen einer langen Warteschlange (wie bei der Ankunft vomr Camino Portugues) erfüllen sich zum Glück nicht. Mittlerweile ist es so, dass man über das Handy elektronisch den Antrag stellt. Es wird dann eine Nummer mit einem Beleg erzeugt und muss auf den Aufruf warten, der einem elektronisch angezeigt wird. So werden im Gebäude Menschenmassen vermieden. 
Wir gehen einen Café trinken und kaufen uns dann etwas zu essen ein, dass wir auf der Domplatte zu uns nehmen. Anschließend checken wir in das schöne Hotel für zwei Tage ein, direkt neben der Kathedrale. Abends gehe ich noch zu dem Kunstgeschäft Zamo Tamay und gebe ein Bild vom France in Auftrag. Morgen wird es fertig. 


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