Prolog
Bitte unbedingt auch die grundsätzlichen Gedanken zu Caminos lesen!
Nach dem Camino Portogues im Mai wollen wir jetzt noch eine „Finisterre“, sozusagen die kleine Compostela, die man bekommt, legt man die gut 100 km von Santiago ans Ende der Welt zurück. Der Flug geht von Hahn aus, kurz vor 19.00 Uhr soll es losgehen. Mit leichter Verspätung starten wir, kommen aber etwas früher am Flughafen Santiago an. Rein in den Bus, direkt bis vor die Altstadt, unser Hotel keine 2 Gehminuten weg. Leider lässt sich die Tür mit dem Code nicht öffnen, aber nach einem Telefonat kommt ein netter älterer Spanier und schließt uns auf. Sehr schönes und günstiges Zimmer!
18.09.2018
Wir kommen spät weg, es wird nach 9.00 Uhr bis wir in der Touristinfo Pilgerpässe und einen Plan geholt haben. Raus geht es aus Santiago auf dem Weg, auf dem wir im Mai reingelaufen sind, witzig. Conny ist es ja schon vor längerer Zeit gelaufen und erinnert sich vage… da wär so ein langer, steiler Berg… Was mein Hirn speichert: Meine Güte, nach der nächsten Biegung ist aber Schluss, da muss man doch endlich oben sein! Leider sollte das beim nächsten Mal genauso abgerufen werden (-> Santiago – Finisterre 2019).
Es geht wellig weiter, kurz vor unserem heutigen Ziel, Negreira, machen wir eine Unterkunft klar im „el Carmen“, 45.-€ für ein Doppelzimmer mit Frühstück ist ok. Vor allem wird die Dame des Hauses, vermutlich Carmen, extra für uns den Speisesaal öffnen und kochen lassen, obwohl wir ihr versucht hatten klar zu machen, dass sie das nicht muss. Nein. Das muss. Und man schämt sich fast, für 10.-€ p.P. drei Gänge mit einem Liter gutem Tafelwein. Da es aber bis zu diesem Genuss noch Zeit hat, gehen wir gegenüber in eine Kneipe zu einem Vorspürtinto, wo wir einen thüringer Vollzugsbeamten kennenlernen der dankbar ist, mal erzählen zu können, was er noch alles laufen will.
Nach dem Essen schnell noch die Wäsche gemacht, hoffentlich bis morgen trocken…
19.09.2018
Der Plan war früh raus. Die Realität war 8.30 Uhr nach einem Kaffee. Eigentlich wollten wir heute 15 km machen, aber am Ende waren es dann 25. Aber was für welche: Wellig und ziemlich langweilig geht es durch die Prärie, bis wir schließlich in einer privaten Herberge für 10.- € ein Bett ergattern. Es riecht nach Heizöl und die Einmalbettlaken können nur notdürftig das interessante Muster der Matratzen verdecken, die so sicher nicht ab Werk geliefert wurden.
Immerhin, man hat Wein für 5.- € die Flasche. Lange Rede kurzer Sinn, es wird ein wirklich lustiger Abend. Conny hat aus Versehen ihren Internetzugang im Handy gelöscht und wiederholt nun gebetsmühlenartig „ich hab meine Pin vergessen“. Auch vier riesen Thunfischweißbrote später hat sich nichts geändert, außer dass der Maitre mittlerweile keinen Port mehr hat und nun die Restbestände Madeira auffährt. Er spricht etwas deutsch und ist sichtlich erheitert, dass da man zwei nicht ganz so stocksteife Menschen unterwegs sind. Am Ende des Abends haben wir „Flohhardy“ fettgefüttert, seinen kleinen Hund und er hat vermutlich nicht mal die Hälfte unseres Verzehrs berechnet.
Das wird eine interessante Nacht. An morgen denk jetzt besser mal keiner…
20.09.2018
5.20 Uhr, alles schläft, einsam wacht mein Darm auf. Na dann, wieso klemmt die Tür? Hmmm… na das haben wir gle…. AHHHHHHHHHHHH ein Schrei auf der anderen Seite, besetzt! Egal, nach 8.00 Uhr sind wir wieder unterwegs, es geht sehr steil nach oben. Also SEHR steil… dafür fällt dann der Weg etliche Kilometer sanft ab und man erreicht irgendwann ein Dörfchen, wo wir uns einen Kaffee gönnen. Conny beschließt, die restliche Strecke bis Logoso zu fahren, ich werde nachgelaufen kommen. Es geht durch Olveiro, hoch in Richtung der Windräder und als ich dachte, ich muss bald mal eine Pause machen, steh ich direkt vor der Herberge.
Wir nehmen ein Pilgermenü, das zwar lecker ist, aber einen Mann nicht wirklich ernährt und so müssen noch 3 Brote dran glauben. Dann ins Zimmer in die Schlafsäcke, es war ein schwerer Tag.
21.09.2018
Der Himmel weint, als wir gegen 8.00 Uhr Logoso verlassen und er wird auch heute nicht mehr damit aufhören. Es gießt in Strömen. Nach nur 2,5 km besuchen wir das letzte Cafe, denn dann ist bis Cee nichts mehr außer Natur. Hier gabelt sich auch der Weg, links geht es nach Finisterre, rechts Richtung Muxia.
Durch eine schöne Heidelandschaft schlängelt sich der Weg, das Regenwetter hat durchaus was. Man läuft wie in Watte, mit sich und seinen Gedanken, Stunde für Stunde.
Mittlerweile bin ich dermaßen durchnässt, dass sich der Rest Rei in der Tube, mit dem ich meine Socken gestern gewaschen habe, bei jedem Schritt schäumend seinen Weg nach außen sucht.
Früh kommen wir an, es ist 12.30 Uhr und das Zimmer noch nicht fertig. So gibt es erstmal in der hauseigenen Bar einen heißen Tee und eine heiße Schokolade, das wärmt wieder auf.
Selbst die Schuhe landen nun im Trockner des Waschsalons, keine Chance, dass sie auf normalem Weg bis morgen nur halbwegs trocken sind. Nach einem feudalen Mahl aus lecker-fetten Pommes und Doppelchickenbrötchen geht es früh in den Schlafsack, morgen steht die letzte Etappe nach Finisterre an.
22.09.2018
Jawohl! Es hat aufgehört zu regnen, es ist nicht zu warm, perfekt! Der Weg führt um eine schöne Bucht, um dann gleich ziemlich steil anzusteigen. Munter geht es wellig weiter, ein Kaffee kann jetzt nicht schaden. Noch 7 km sagt ein Schild und ab da geht es steil auf Meereshöhe hinab und noch einige Kilometer den Strand entlang, bevor man im Hafen einmarschiert. In der Touristinfo holen wir unsere Belohnung ab: Eine schön gestaltete Urkunde, die den Weg von Santiago hier her bestätigt. Wir haben Glück, kurz nach uns ist es hier dermaßen voll, dass wir sicher wieder 2 St hätten warten müssen.
Gleich mal geschaut, wie wir zurück nach Santiago kommen: Ein Bus fährt morgen um 9.45 Uhr, aber man sollte schon früher da sein.
Unsere Herbergsmutter spricht deutsch, war mal eine Zeit in Bremen, das erleichtert die Kommunikation ein wenig. Conny kann kaum erwarten an den Hafen mit seinen kleinen Lokalen zu kommen, Pulpo ruft…
Zum Sonnenuntergang laufen wir auf die andere Seite des Ortes an einen schönen Strand, dort gibt es bei einem Sonnenuntergang aus dem Bilderbuch ein kleines mitgebrachtes Essen. Der Rückweg ist nochmal ein Abenteuer, wir verlaufen uns übel im Stockdunkel der Nacht…
23.09.2018

Nach dem Aufstehen die 50m zur Bushaltestelle, da stehen schon ein paar Leute, der erste fährt weg, alles voll… der nächste ist unser und er fährt tatsächlich eine viertel Stunde ZU FRÜH ab. Gut, dass wir nicht überpünktlich waren.
Dann ein echter Gag: In Santiago gehen wir zum Hotel, wo wir tags vorher ein Zimmer gebucht haben. Man kennt uns nicht, es wird gesucht, nix. Dann kommt es ans Tageslicht: Wir sind im falschen Hotel. He he he, auch nicht schlecht. Nachdem wir die richtige Unterkunft angesteuert haben, geht es zum Einkaufen in die Altstadt. Leider sind die Supermärkte zu, es ist Sonntag, aber wir finden eine Tankstelle, bei der wir uns mit dem Notwendigsten eindecken können: Schinken und Brot, Wein konnten wir uns in der Altstadt besorgen.
Die Sonne brennt erbarmungslos. So verbringen wir noch etwas Zeit auf dem Zimmer, bevor wir zum Abend auf die Domplatte gehen und dort bis weit in die Dunkelheit sitzen bleiben.
24.09.2018
Heute geht es mit dem Bus bis Valenca, leider hält der dann irgendwo im Niemandsland. Daher also hier die vielen Taxis. Es bleibt uns nichts anders übrig, als 35.- € zu versenken und uns bis Vila Praya chauffieren zu lassen. Das Zimmer ist schon fertig, wir sind wieder im „alten“ Hostel, herrlicher Blick vom Minibalkon. Leider hat das schöne Lokal vom letzten Mal geschlossen und so probieren wir unser Glück in einer Art Alternativkneipe. Keiner spricht auch nur ein Wort englisch, es wird mit dem Finger bestellt. Riesige Portionen an Reis, Pommes, Salat und Fleisch rollen an, für 6.- €.
Zurück auf dem Balkon gibt es bei bestem Meerblick noch einen Absacker, dann wird das Licht gelöscht.
25.09.2018
Heute mal ausschlafen, das muss sein. Wir wollen den Tag hier verbringen um dann morgen mit dem Zug nach Porto zu fahren.
Zur Mittagszeit geht es an den Strand. Laut Internet hat das Wasser 17° Grad. Nie im Leben. Es schmerzt empfindlich, wenn man bis zu den Knien drin ist und ich brauche bestimmt 5 min, bis ich endlich die Schwimmlage eingenommen habe. Nach dem 4. Mal tut es auch gar nicht mehr so weh 😂.
Da das Hostel eine schöne Küche hat, gibt es leckeren Salat und der Tag klingt mit dem tollen Panorama auf dem Balkon aus.
26.09.2018
Kurz nach 7.00 Uhr wird alles gepackt und nach einen Kaffee geht es gegen 9.00 Uhr raus Richtung Bahnhof, der sich direkt um die Ecke befindet. Pünktlich bringt uns der Zug für 9,25€ in 1,5 St an unser Ziel. Viel zu früh erreichen wir unsere Wohnung, keiner da. Also wird ein kleines Cafe angesteuert. Wohnung ist schon richtig: Wir haben zwei Schlafzimmer, Bad mit Whirlpool, große Küche. Für 100.-€ zwei Personen, zwei Übernachtungen ist absolut ok, auch wenn es etwas außerhalb liegt.
Jetzt ein Tasting bei Burmester. Keine Offenbarung, aber es wird Schokolade zum Tawny gereicht. Macht wirklich was aus, öffnet irgendwie die Geschmacksknospen…
Beim Chinesen wird gespeist, der Magen rebelliert. Leider wird einem jetzt klar, dass die Wohnung ca. 2km vom Duoro entfernt liegt…
27.09.2018
Conny ist von gestern krank und bleibt den ganzen Tag im Bett. So gehe ich alleine zweimal zum Duoro, trinke dort Kaffee und beobachte das Treiben. Ein Typ tanzt mit einer Puppe, die er sich an Füße und Hände gebunden hat, sieht absolut zum Gruseln aus…
Der Abend wird auf dem Balkon verbracht, mit Blick auf eine riesige Ruine am Berghang und einem dauernd kläffenden Köter drei Stockwerke unter uns.
28.09.2018
Um 11.00 Uhr verlassen wir die Wohnung, wir haben im Vorfeld ja noch eine Bleibe gebucht. Böser Fehler… Aber der Reihe nach.. Da noch viel Zeit ist, machen wir Portos Fußgängerzone unsicher, an deren Ende sich die Bibliothek befindet. Auf dem Platz gibt es schöne Lokale, ein Steak, das zum ersten Mal auch so genannt werden darf, wird mein Mittagessen, Conny ist noch nicht so weit…
Gegen 16.00 Uhr suchen wir die Bleibe auf, eine Dame erscheint mit dem Schlüssel und es geht unters Dach. Zwei Zimmerchen, alles kaputt, das Fenster handhoch voll mit Taubensch***, eine halbtote Taube wohnt im Rolladenkasten und gurrt unentwegt. Der Blick in den Hinterhof erinnert mich etwas an New York Manhatten in den 80gern, da hatte ich eine ähnliche Aussicht. Immerhin nur 600m bergab zur Ribeira, 50m zu einer genialen Minikneipe mit super Essen und super Musik (die Tochter des Inhabers spielte wohl Saxophon, also gabs Smooth Jazz vom Feinsten).
29.09.2018 bis Ende
Die Übernachtung spar ich mir zu beschreiben, nur so viel: Eigentlich sollte das Zimmer für drei Leute sein. Wie und wo die hätten schlafen sollen, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich residierte auf einem heruntergekommenen Kunstledersofa, das man aufklappen konnte, geschätze Länge ca. 1,75 m. Dazu der Taubendreck und die Geräuschkulisse…
Wir wollen ans Portmuseum, welches etwas außerhalb liegt. Angekommen warten wir bis 10.00 Uhr nur…. es bleibt zu und so oft wir auch jetzt schon dort waren… immer wird man auf das nächste Quartal vertröstet.
Also zurück in die Stadt, hier wollten wir eigentlich in eine bekannte Buchhandlung, aber eine lange Schlange und 5.- € Eintritt halten uns dann doch davon ab. Lieber den Flohmarkt zwei Straßen unterhalb besuchen und danach was essen in dem kleinen Lokal von neulich.
Zum Abflug holt uns morgens in aller Frühe ein Fahrdienst ab und bringt uns in halsbrecherischer Fahrt zum Gate, von wo wir den Flug zurück antreten.
Resume
Für einen Kurzurlaub ist die Strecke Santiago – Finisterre bzw. Santiago – Muxia absolut zu empfehlen. Je nach Leidensbereitschaft braucht man 3 – 5 Tage für die Strecke. Das Wetter im September war hervorragend, fast noch zu warm. Wer, wie wir, etwas mehr Zeit hat, kann dann von Porto zurückfliegen und dort noch ein paar schöne Tage verbringen.
Allerdings ist Santiago auch eine Stadt, die viele kulturelle Highlights zu bieten hat, die Altstadt ist voller Denkmäler und auch das alte Unigebiet ist sehenswert.
Durchwachsen sind immer die Unterkünfte: Von den Bildern in einschlägigen Buchungsportalen sollte man sich nicht täuschen lassen, zum Teil sind da Profis mit Fischauge am Start. In aller Regel kann man aber die Nächte irgendwie rumkriegen und richtig übele Absteigen hatten wir auf unseren Reisen bisher wenige.
„Ich wünschte, ich könnte diese Übernachtung aus meinem Leben löschen!“, so war der Kommentar zu einer unserer Baracken. Es lohnt ab und zu zu lesen, was andere Leidende so erlebt haben… 😁