06.12.2019 Prolog
Bitte unbedingt auch die grundsätzlichen Gedanken zu Caminos lesen!
Der Flug geht von FFM direkt nach Santiago, von dort kann man mit dem Bus durchfahren bis in die Innenstadt. Wir hatten eine erste Übernachtung gebucht, um dann morgens loslaufen zu können. Wir residieren im Parador, direkt an der Kathedrale. Naja, fast. Wir haben ein sehr schönes Zimmer im gleichen riesigen Gebäude. Alles ist auf Weihnachten getrimmt, sehr stylisch! Der Plan war eigentlich, noch einkaufen zu gehen, aber nach einigem Warten auf Öffnung der Lebensmittelgeschäfte dämmert es uns: Heute ist in Spanien Feiertag, Tag der Verfassung. Toll, so gehen wir im „Parador“ ein sehr leckeres Menü essen, das wir mit ca. 1,5 l Wein runterspülen… Vorher waren wir noch im Pilgerbüro, einen Pilgerpass und eine Liste offener Herbergen besorgen. Der Pass ist Voraussetzung, damit man in den städtischen Herbergen übernachten darf.
Wir feiern dann die gelungene Ankunft noch im Dunkeln auf der Domplatte mit mitgebrachtem Chartreuse, mit dem Erfolg, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich den morgen überhaupt bewegungsfähig bin…
07.12.2019 Santiago – Negreira
Nach einer durchwachsenen Nacht geht es gegen 7.45 Uhr los. Schon am ersten Berg muss der Poncho raus, es beginnt leicht zu regnen. Und der Regen wird uns fast die gesamte Reise begleiten. Wer um diese Jahreszeit in der Region wandert, muss auf „schlechtes“ Wetter gefasst sein, es ist schließlich mit die niederschlagsreichste Zeit des Jahres.
Zwei Kaffee weiter geht es an das Highlight des Tags, ein ordentlicher Höhenmeterrausch erwartet uns. Die Strecke sind wir ja schon zweimal gelaufen, zumindest bis Hospital: Dort trennt sich der Weg, links Richtung Finisterre, rechts Richtung Muxia. Man weiß also schon, was kommt… Trotzdem immer wieder lustig, wie einem die Wahrnehmung einen Streich spielt: Nach jeder Kehre denkt man, man ist fast oben. Eine lustige Begegnung, mitten im Wald steht ein Mann und zwei Frauen und fangen ein Gespräch an. Nach 5 min ist klar: Eine Art Zeugen Jehovas! Danke nein, wir gehen weiter und quälen uns den Berg hoch, jeder in seinem Tempo. An der Bushaltestelle im kleinen Ort auf dem Gipfel ist Treffpunkt, hier wird auch wie üblich eine Pause gemacht. Gemächlich geht es dann weiter, bis nach einem letzten kleinen Hügel, der einem aber nochmals mächtig zusetzt, Negreira erreicht wird.
Leider hat das „Carmen“, eine schöne Unterkunft zu, also kaufen wir ordentlich ein und machen uns aus dem Ort raus, denn in Randlage befindet sich die städtische Herberge. Immerhin für morgen schon die ersten paar Höhenmeter zurückgelegt…
Bis auf einen Franzosen sind wir alleine, aber bis 18 Uhr sind dann doch alle Betten belegt.
08.12.2021 Negreira – Vilaserio
Von Negreira aus wollen wir nach Vilaserio, hier soll es eine weitere städtische Herberge geben. 12 km weiter dann die Ernüchterung: Ein Dreckloch, kein Strom, versiffte Todesmatratzen und es regnet durchs Dach. Dafür hat es aber keinen Strom… ;O)
Wir laufen ein paar hundert Meter zurück in das Cafe, wo wir eine kleine Pause gemacht hatten, hier erhalten wir für 12.- € p.P. ein Bett. Anfangs noch alleine, gesellt sich später eine schwerkranke Pilgerin dazu. Sie hustet und niest die ganze Nacht…
09.12.2021 Vilaserio – Olveiroa
Wir stehen zwar früh auf, aber es wird kurz vor 8.00 Uhr, bis wir die Unterkunft verlassen. Es ist noch dunkel und bis die Sonne aufgeht, haben wir schon einige Kilometer gemacht. Das ist auch gut so: Heute ist die langweiligste Etappe der Reise. Immerhin erreichen wir gegen 9.30 Uhr das „San Marino“, mit dem wir schöne Erinnerungen verbinden von vergangenen Reisen. Leider zu, aber „Flohhardy“, der kleine Hund ist da und freut sich! Von da zieht sich der Weg einen langen Berg hoch, auf der anderen Seite sind es dann doch noch etliche Kilometer bis wir die städtische Herberge in Olveiroa erreichen. Sehr sauber, innen schön gemacht, klasse! Anfangs allein, gesellt sich später noch ein zwielichtiger Geselle dazu, von dem man nicht so genau weiß, was man von ihm halten soll, sowie ein älterer Engländer. Als wäre das nicht genug, haben noch zwei junge, völlig humorlose Veganer Betten belegt (woher man das weiß: Veganer werden dir schon sagen, was sie essen…). Nun denn, ein paar Chartreuses später geht das Licht aus, morgen steht eine lange Etappe an.
10.12.2019 Olveiroa – Cee
Früh geht es los, hinter Olveiroa steigt der Weg an und auf der Höhe erleben wir einen traumhaften Sonnenaufgang, den Bilder nicht wirklich wiedergeben können. Lugoso, ein kleiner Ort, wird durchquert, leider hat das Cafe zu und wir gehen weiter bis Hospital. Conny ist krank, die hustende Mitbewohnerin hat sie wohl angesteckt. Nachdem die Bronchien immer mehr zugehen, beschließen wir, dass sie mit dem Taxi nach Cee vorfährt und ich die Strecke laufe. Leise Lautenmusik im Ohr erreiche ich Cee und treffe auf Luigi, den Engländer aus Olveiroa, der sich noch an den „green Chartreuse“ erinnert.
Unser Zimmer für 50.- € ist keine Offenbarung, alles klamm und feucht. Dafür immerhin schöner Blick auf den Hafen. Conny war zwar schon einkaufen, geht dann aber nochmals und dabei… aber breiten wir den Mantel christlicher Nächstenliebe über diese Erfahrung.
Das Zimmer wird mir noch in Erinnerung bleiben, denn ich verliere dort vermutlich meinen innig geliebten Hut.
Schnell noch zwei Übernachtungen in Santiago für 62.- € gebucht, dann reicht es für heute.
11.12.2019 Cee – Finisterre
Bei ca. 9° Grad starten wir auf die letzte Etappe, es regnet mal nicht. Aprilwetter irgendwie. Unterwegs kommen wir an der außerhalb liegenden städtischen Herberge vorbei. Gerne hätten wir mal reingeschaut, aber der abgehalfterte Drogenbaron, der wohl dort residiert, verweigert uns den Zutritt.. Durch die Fenster sieht es aber recht ordentlich aus.
Die letzten Kilometer führen am Strand entlang, anstrengend aber schön. Schließlich erreichen wir unser Hotel und nachdem wir uns etwas erholt haben, holen wir unser „Finisterre“ ab, ein schön gestaltetes Papier, als Bestätigung für den zurückgelegten Weg.
12.12.2019 Finisterre
Es gießt aus Kübeln und stürmt und so machen wir uns auf den Weg zum Leuchtturm und dem „nullsten Stein“. Oben tobt ein kleiner Orkan, nicht ein Fetzen Kleidung ist mehr trocken. Vorteil: Außer uns sind noch zwei Leute unterwegs.
Zurück im Hotel bastele ich eine Föhnkonstruktion, die Schuhe müssen ja irgendwie trocknen…
13./14./15.12.2019 Finisterre – Santiago
Für 9,85 € fahren wir um 11.45 Uhr los, Ankunft um 15.00 Uhr in Santiago. Vorher noch drei Kaffee im Zack Zack von Finisterre. Alle Spanier haben Tellerchen zu ihrem Kaffee….
Die Unterkunft in Santiago ist super, sehr sauber und eine riesen Küche einen Stock höher. Die Kathedrale ist eine einzige riesige Baustelle, aber der Jakobus muss umarmt werden! Natürlich gibt es den obligatorischen Pulpo….
Die beiden Tage vergehen wie im Flug, auch wenn das Wetter wirklich übel ist. Wir bleiben daher auch einen Tag länger, da unsere nächsten Ziele vom Unwetter auch nicht verschont bleiben.
16.12.2019 Santiago – Vila Praya de Ancora
Kein schlechter Blick aus dem Fenster. Wir fahren gegen 7.00 Uhr in Santiago los, das Gepäck wird vor Betreten des Bahnsteigs genauer gefilzt als am Flughafen…
Ein Stunde später in Vigo Bahnhofswechsel, 9.20 Uhr weiter nach Valenca. Uhr umstellen! Von da geht eine Bimmelbahn nach Vila Praya. Die übliche Unterkunft gesucht und… zu! Nach längerem Suchen findet sich die Verwalterin und wir nehmen zwei Betten für je 10.-€. Das abgewohnt Doppelzimmer von sonst lassen wir mal bleiben. Nach dem Einkauf kochen, chillen, Gitarre spielen, mit Blick auf´s Meer.
Alles was wir jetzt nicht aufbrauchen, müssen wir morgen Richtung Viana do Castello schleppen…
17.12.2019 Vila Praya de Ancora – Viana do Castello
Das Wetter hält und so machen wir uns auf den Weg (wie üblich). Tolle Etappe, nur am Meer entlang, mittlerweile schon eine Art „Muss“, wenn wir in der Gegend sind.
Gegen 16.00 Uhr kommen wir in der öffentlichen Herberge an: Ein riesen Gebäude, die beiden Herren, die uns die Betten geben sind wohl gelaunt. Was uns keiner sagt: Wir sind ab ca. 17.00 Uhr in diesem gigantischen Block komplett alleine… sehr ungewöhnlich schaurig. Lange Flure, von den Wänden blicken strenge Gesichter, es hallt und ist dunkel. Was man uns sagt: Es gibt nur kaltes Wasser. Klasse, das verkürzt unsere Duschzeiten auf wenige Sekunden, denn das ist WIRKLICH kalt!
Um die Ecke bestes Pilgermenü für 6.- €. Suppe, Hauptgericht, Nachtisch, dazu Wein. Richtig lecker!
18.12.2019 Viana do Castello
Wir bleiben noch eine Nacht länger, der Preis für ein Bett steigt auf sagenhafte 8.- €. Gegen Abend bläst ein Orkan über den Ort, die Schäden sind überall zu sehen. Wir liegen mutterseelenallein in diesen Gebäude, es ächzt und stöhnt… Um Mitternacht dann ein fürchterliches Krachen, ein schweres Gewitter über uns. Der Strom fällt aus, die Lampen flackern, es ist ganz schön unheimlich. Später wird man auf dem Film seltsame Muster an der Wand sehen…
19.12.2019 Viana do Castello – Porto
Wir sind zwar einen Tag zu früh in Porto, haben aber als Überbrückung ein billiges Doppelzimmer ergattert. Das ist der Hammer: In die Butze passt gerade so EIN Bett… wo ist das Bett Numero zwei? Ahhhhh ja… man ziehe den Bettkasten aus, da liegt eine 80 cm Matratze drin. Jesses… Egal, für eine Nacht.
Es geht direkt runter zu den Shippern, man kennt sich ja aus. Hab ja mal ne Zeit in Porto gelebt.. he he he
Bis auf die Knochen durchnässt erreichen wir Cruz. Ein Tasting muss her! Und das läuft übel aus dem Ruder… auf dem Bild oben ein kleiner ZWISCHENSTAND. War superlustig, auch dir Bedienungen dort waren klasse: Nachdem man bemerkte, dass da zwei Leute einfach nur eine schöne Zeit haben wollten, wurden die Tastinggläser mit Bauch oben versehen…
Danach gings in ein kleines Lokal essen, sehr lecker. Inklusive eines Geburtstagsständchens und den entsprechenden Getränken…
Der Rest ist Schweigen.
Vila Nova de Gaia
Die Tage vor den Abflug verbringen wir mit weiteren Tastings und machen die Stadt unsicher. Leider haben wir von dem schönen Balkon unseres Zimmers nichts, das es einfach nicht aufhören will zu regnen. Trotzdem ist der Blick rüber auf Portos Altstadt immer wieder schön! Denn: Auf dieser Seite des völlig über die Ufer getretenen Douro liegt Vila Nova de Gaia, nicht Porto. Das befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite.
Man kann eine schöne Bootstour unter den wichtigsten Brücken des Douro machen, sehr zu empfehlen.
Von unserer Behausung aus ging es dann am Abflugtag zu Fuß am sehr frühen Morgen hoch nach Portos Metrostation Trindade, hier kann man günstig direkt zum Flughafen fahren.
Resumee
Das war ja nicht die erste Wanderung nach Finisterre, sondern schon die Zweite. Warum macht macht man so was doppelt? Ganz einfach: Weil es ein toller Weg ist, weil man keine 3 Wochen Urlaub braucht und weil man am Meer ist. Übrigens: Santiago – Muxia sind wir erst einmal gelaufen, was steht also Ende Februar 2022, so die Götter gewogen sind, an…..?